Traumberuf Geodäsie

Im Interview verrät der Geodät Tilo Reubelt, warum er seinen Beruf liebt und warum die Geodäsie ein attraktives Studienfach sein kann.
Traumberuf Geodäsie

Im Interview verrät der Geodät Tilo Reubelt, warum er seinen Beruf liebt und warum die Geodäsie ein attraktives Studienfach sein kann.

Warum haben Sie sich nach dem Abitur speziell für Geodäsie als Studienfach entschieden – gab es auch andere Überlegungen?

Tilo Reubelt: Während der Oberstufe war für mich eigentlich klar, dass ich gerne ein Fach studieren würde, bei dem Mathematik und Physik und Geometrie gebraucht werden. Ein reines Mathematikstudium, bei dem es nur um Beweise und Theoreme geht, schien mir aber zu abstrakt. Mir war eine Art angewandte Mathematik lieber. Da ich mich auch gerne draußen in der Natur aufhalte, erschien mir das Fach Vermessungswesen wie geeignet.

Obwohl die Geodäsie ja ein Nischendasein zu führen scheint, ist es erstaunlich, dass die Unis in diesem Fachgebiet international breit aufgestellt sind. Ihre Kollegen an der Uni Stuttgart sind beispielsweise Chinesen und Iraner. Woran liegt das?

Tilo Reubelt: Die Meinung als Nischendasein herrscht hauptsächlich in der Öffentlichkeit vor. Dies gilt jedoch nicht innerhalb der Wissenschaftler der einzelnen Fachgebiete. Diese sind durch die internationalen Meetings, Projekte und auch Veröffentlichungen untereinander gut vernetzt. Dies wird dadurch noch verbessert, dass es sich um ein kleines Fachgebiet handelt. Das kennen Sie vielleicht noch aus Ihrer eigenen Erfahrung aus Schul- und Studienzeit: In kleinen Klassengemeinschaften ist der Kontakt und Austausch immer grösser als in überfüllten, anonymen Hörsälen. Der gute Kontakt zu Chinesen und Iranern stammt noch von unserem alten Professor, der immer wieder Gäste und auch Doktoranden aus diesen Ländern hatte. Diese Kontakte wurden vom Nachfolger aufgegriffen und intensiviert. Im Prinzip haben wir aber immer wieder Gastwissenschaftler aus aller Welt.

Ihre Arbeitsgebiete als Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Geodätischen Institut der Uni Stuttgart: Satellitengeodäsie und Physikalische Geodäsie. Beschreiben Sie mal mit ein paar wenigen Sätzen einem Laien, was die Physikalische Geodäsie ausmacht?

Tilo Reubelt: Die physikalische Geodäsie befasst sich mit der Bestimmung und Modellierung des Erdschwerefeldes und damit verbundener geodätischen Größen. Zum einen wird das Schwerefeld zur Definition von Höhensystemen benötigt. Man kann dadurch eine physikalische Korrektheit sicherstellen, nämlich dass das Wasser auch wirklich von einem Punkt größerer Höhe zu einem mit geringerer Höhe fliesst. Und auch die Höhenbezugsfläche – das das sogenannte Geoid – welche den mittleren Meeresspiegel definiert, ist durch eine Fläche konstanter Energie des Schwerefeldes beschrieben. Die bekannte räumliche Darstellung des Geoids wird gerne auch wegen der Ähnlichkeit der Form als „Kartoffel“ beschrieben, bei der die durch Massenunregelmässigkeiten der Erde erzeugten Unterschiede des Geoids gegenüber einem Rotationsellipsoid dargestellt werden.

Das klingt sehr theoretisch – haben Sie ein praktisches Beispiel?

Tilo Reubelt: Ein anderer wichtiger Aspekt ist, dass geodätisches Messen immer im Schwerefeld der Erde stattfindet, dass also geodätische Messinstrumente immer anhand der Lotrichtung der Schwere ausgerichtet werden. Diese Abweichungen gegenüber einer durch ein Kugel- oder Rotationsellipsoid definierten Normalrichtung müssen immer berücksichtigt werden, besonders bei größeren Bauvorhaben wie zum Beispiel bei der Vermessung des Tunnelvortriebs des Gotthard-Basistunnels. Hier besteht ansonsten die Gefahr, dass der Tunnel nicht am geplanten Ziel herauskommt oder dass bei beidseitigem Tunnelvortrieb aneinander vorbei gebohrt wird und so beträchtliche finanzielle Schäden entstehen können. Auch Schwankungen im Geoid sollten bei so langen Tunnels berücksichtigt werden.
Was könnte passieren, wenn die „Gesetze“ der Geodäsie bei Bauprojekten nicht ausreichend berücksichtigt werden?

Tilo Reubelt: Beim Bau der Hochrheinbrücke bei Laufenburg, die jeweils von der schweizerischen und deutschen Seite her fertiggestellt wurde, wurde zunächst der Unterschied zwischen deutschem und schweizer Höhenbezug von zirka 27 Zentimeter berücksichtigt. Kurz vor dem Zusammentreffen der beiden Brückenteile über der Mitte des Rheins hat man sich dann über eine „Treppe“ von ca. einem halben Meter gewundert. Offensichtlich wurde mit falschem Vorzeichen korrigiert! Hier hätte unter korrekter Berücksichtigung der Gegebenheiten der physikalischen Geodäsie viel Geld gespart werden können.

Warum kann Geodäsie als Studienfach spannender als Physik oder Mathematik sein?

Tilo Reubelt: Im Vergleich zur reinen Mathematik ist die Geodäsie wesentlich anwendungsorientierter und daher weniger theoretisch, was die Angelegenheit etwas bunter macht. Im Vergleich zur Physik ist die Geodäsie darstellender. Im Studienfach Geodäsie gibt es sowohl mathematische als auch naturwissenschaftliche Inhalte. Auch wer sich für Informatik interessiert, darf sich freuen: Programmierkenntnisse sind ebenfals wichtig. Die Vielseitigkeit des Geodäsie-Studiums eröffnet ein breites Spektrum an Berufsmöglichkeiten. Allerdings herrscht in der Öffentlichkeit des Bild des Geodäten als „Feld-Wald-Wiesen Vermessers“ mit dem Theodolit (geodätisches Winkelmessinstrument) vor, was schon bei manchem Bewerber dazu geführt hat, was er denn als Geodät mit der ausgeschriebenen Stelle gemeinsam habe. Inzwischen haben wir aber im Studiengang eine gute PR-Kommission aufgebaut, die dazu beiträgt, über das Berufsbild des Geodäten in der Öffentlichkeit und auch an Schulen aufzuklären.

Welche Fähigkeiten muss man mitbringen, um als Geodät arbeiten zu können?

Tilo Reubelt: Räumliches Vorstellungsvermögen, mathematisches und physikalisches Verständnis, Programmierkenntnisse sowie allgemein Spaß an der Arbeit mit dem PC. Interesse an der Materie „Vermessung“ mit all seinen Fachgebieten ist natürlich immer von Vorteil. Für viele ist ja ein Grund für die Studienwahl der Geodäsie (bzw. Vermessungswesen), dass sie später einen Arbeitsplatz haben, bei dem Sie auch „nach draußen“ kommen, wie dies unter anderem auch bei mir der Fall war. Dies wird durch die jedem bekannten Grundstücks- und Bauvermessungen suggeriert. Diese Arbeiten werden jedoch hauptsächlich von Vermessungstechnikern oder allenfalls noch von FH-Ingenieuren durchgeführt. Die Uni-Ingenieure sind eher für die Planung und Kontrolle zuständig.

In welchen Branchen bzw. Unternehmen werden Geodäten gebraucht?

Tilo Reubelt: Ein Außenstehender hat zunächst nur das klassische Berufsbild des Vermessers im Blick, bestehend aus Grundstücks- und Bauvermessung, wie es von Ingenieurbüros und auch den Vermessungsämtern durchgeführt wird. Tatsächlich ist das Berufsbild viel größer. Geodäten sind auch in der Stadt-, Verkehrs- und Infrastrukturplanung gefragt, in der Industrievermessung, bei den Herstellern von Navigationsgeräten, in der Bild- und Datenverarbeitung und Erstellung von Informationssystemen. Aufgrund ihrer breiten, anwendungsorientierten Ausbildung in IT-nahen Bereichen können Geodäten auch in der Softwarebranche arbeiten. Wer über den Tellerrand hinausblickt, kann aufgrund seiner mathematischen Fähigkeiten auch in der Versicherungs-, Finanz- und Consultingbranche seinen Platz finden sowie auch bei Automobil- und Maschinenbaufirmen. Ein früherer Kollege von mir tüftelt beispielsweise bei Bosch an Einparksystemen. Wie Sie sehen, sind Geodäten kleine Alleskönner. Speziell wer im wissenschaftlichen Bereich arbeitet, kommt als Geodät auch mal „raus“ und fährt für Kongresse und wissenschaftliche Symposien an schöne Orte auf der ganzen Welt.

Text: Andreas Scholz
Fotos: Andreas Scholz und ESA
(Fotos von Satelitten im Weltraum mit freundlicher Genehmigung der Europäische Weltraumorganisation ESA)


HINWEIS: Bitte beachten Sie zu diesem Interview auch das dazugehörige Feature: Das Feature zum Thema "Was macht eigentlich … ein Geodät?"
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