Das beutellose Wesen & seine Taschen-Phobie

Das beutellose Wesen und seine Taschen-Phobie

Eine Glosse von Andreas Scholz

Wo Frau auf sich hält, ist sie aus Leder – es es sei denn, es handelt sich um vegane Genossinnen. Sie kann schrill und flippig, bunt, elegant, mondän oder dezent sein. Die Größe variiert zwischen winzig und monströs, die Formen zwischen kantig und winzig bis Känguruh-Beutel-weich, knuddlig und riesengroß.

Die Handtasche ist für die Frau zweifelsohne einer der wichtigsten Begleiter im Alltag. Lieber geht sie ungeschminkt aus dem Haus als ohne Tasche. Erst das richtige Exemplar rundet den individuellen Lifestyle der Frau ab – ob Bowling- oder Birkin Bag, ob Hobo, Kelly- oder Granny Bag, ob Kuvert oder Messenger Bag oder Satchel Bag, Koffer-Tasche oder schlicht ein Beutel: die meisten haben zwei Henkel, manche einen Trageriemen und manche beides – jaaa, die Taschenkunde ist eine ganz eigene.

Und alle haben neben dem Zweck, Inhalte zu transportieren, den der Selbstoptimierung. Ohne? Unmöglich! Diese Erkenntnis leuchtet heute sogar modischen Stümpern aus Bullerbü ein und erst recht den Herren aus dem arabischen Raum.

Denn in deutschen Metropolen – etwa auf der Maximilianstraße in München – stechen die schönsten, die sündhaft teuren Stücke sofort ins Auge.

Sie werden zuhauf am Arm von Burka-Trägerinnen spazieren geführt - als einziger Farbtupfer vor schwarzem Hintergrund – vielleicht hat das ja Trendpotenzial.

Dass Oma Liese mit ihren 85 Jahren nicht ins Visier von Tierrechtsorganisationen gerät, wenn sie ihre geliebte Krokodil-Ledertasche Gassi führt, liegt nur daran, dass sie sie in den Goldenen 1950er Jahren gekauft hat und seit Jahrzehnten hegt und pflegt.

Männern hingegen macht dieser Kult doch eher Angst: So viel Gedöns um einen simplen Gegenstand, ganz zu schweigen angesichts mancher Preisschilder. Gut, wenn es mit einer getan wäre! Die amortisierte sich ja mal, aber Taschen vermehren sich offensichtlich (wie Schuhe) unter weiblicher Obhut einfach unsäglich: Ach, Spatzi, die Clutch brauche ich aber dringend zu meinem kleinen Schwarzen! Ja, ja, oder zum Wochenende den Weekender und auf jeden Fall braucht frau einen Shopper, um nämlich noch mehr zu kaufen, wie Taschen zum Beispiel.

Wir Männer hingegen können mit dem Handtaschenkult wenig anfangen. Schließlich klingelt uns auch noch zwei Jahre später das Ohr, wenn wir auf das traumatische Erlebnis in der S-Bahn zurückblicken: eine Frau stieß einen ultrakrassen Schrei aus, weil ihr vermeintlich die Handtasche geklaut wurde. Dabei lag sie bloß unter einem Stapel Modezeitschriften auf dem Beifahrersitz.

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Text: Andreas Scholz
Fotos: Andreas Scholz, Bildagentur Zoonar

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