Die Heimat der Shagya-Araber: Bábolna

Kaiserlich – das ist der erste Eindruck, den der Gestütskomplex von Bábolna in Westungarn dem Besucher vermittelt. Fassaden in leuchtendem Habsburger-Gelb, Kristallleuchter, gepflegte Parkanlagen und Pferde, die Kennerherzen höher schlagen lassen. Shagya-Araber. 

„Unsere Pferdezucht ist älter als die der englischen Vollblüter,“ berichtet die Fremdenführerin stolz beim Rundgang durch das gestütseigene Museum. 1789 wurde das k.u.k-Gestüt gegründet, das Jahr 1816 gilt als Geburtsjahr des Shagya-Arabers, der hier mit dem Ziel der Schaffung eines idealen Offiziers- und Husarenpferdes für die Kavallerie der österreichisch-ungarischen Monarchie entstanden ist. Dabei kamen die Hengste ausnahmslos aus Arabien und Ägypten., während die Mütter verschiedener südosteuropäischer Herkunft waren: Lipizzaner aus Mezöhegyes, Pferde aus Moldavien oder solche, die  während des Krieges erbeutet und 1805 nach Bábolna gebracht wurden. Man wünschte sich etwas mehr Substanz, Größe und Knochenstärke als beim Vollblutaraber, ohne dabei auf dessen Adel, Härte und sonstigen guten Eigenschaften verzichten zu müssen.

 Was einst für Husaren taugte, ist dem anspruchsvollen Sport- und Freizeitreiter nur recht: Ein temperamentvolles, ausdauerndes, vielseitig einsetzbares Pferd, das in Vielseitigkeitsprüfungen, Dressur, Springen, Distanzsport oder vor dem Wagen eine gleichermaßen gute Figur macht. Ihren Namen hat die Rasse vom 1836 aus Syrien importierten Hengst Shagya, dessen überlebensgroßes Denkmal im Innenhof des Gestütes steht. Er war ein geapfelter Honigschimmel aus dem Stamm der Koheil Siglavy und begründete in Bábolna eine erfolgreiche Linie, deren männliche Vertreter heute in Bábolna immer noch ale „Shagya“ heißen – mit entsprechender Nummerierung hinter dem Namen. Auch wenn die Rasse heute „Shagya-Araber“ heißt, so ist der Hengst Shagya doch nicht ihr einziger Stammvater. Vielmehr gab und gibt es viele weitere erfolgreiche Hengstlinien wie Siglavy, Amurath, Dahoman, Gazal, Jussuf, Koheilan. O’Bajan, Bagdady und andere. Erst seit 1978 spricht man offiziell vom „Shagya-Araber“ als eigenständiger Rasse, bis dahin galten die Pferde einfach als speziell ungarische Zuchtrichtung des arabischen Pferdes.
 Neben den Shagyas züchtet man in Bábolna traditionsgemäß auch asile Araber. „Sie sind sozusagen besonders asil,“ erklärt der Gestütsleiter Tamás Rombauer, „ihre Abstammung ist nämlich seit mindestens 1816 lücken- und zweifellos dokumentiert, während die Abstammung der Pferde im Mutterland oft nur mündlich überliefert wurde und deshalb Übermittlungsfehler auftreten können.“ 

Seinen großen Erfolg hat das Gestüt unter anderem einer erstaunlichen Persönlichkeit zu verdanken: Mihaly Fadlallah el Hedad, einem syrischen Pferdeburschen, der sich im Jahr 1887 mit vierzehn Jahren als blinder Passagier auf das Schiff schmuggelte, das den von ihm betreuten Hengst „O’Bajan“ nach Europa bringen sollte. Eine Geschichte wie aus einem Roman! Zusammen kamen O’Bajan und der Junge nach Bábolna , Fadlallah el Hedad wurde später zum Gestütskommandanten berufen und leitete zahlreiche Pferdeeinkaufsexkursionen nach Ägypten, Syrien und Arabien. Für beide wurde im Gestütshof unter einer 1710 gepflanzten Akazie eine gemeinsame Gedenktafel angebracht.

 
Die Dimensionen des seit 2001 als GmbH geführten Gestütes sind überwältigend: Insgesamt umfasst es sage und schreibe vierzehntausend Hektar Land sowie mehrere Außenställe für Junghengste, Stuten und Fohlen. Die Junghengste wachsen in großen Herden auf siebzehn Hektar auf – genug Platz, um Lungen, Herz und Muskeln optimal zu trainieren. „Zehn Hektar sind laut wissenschaftlichen Untersuchungen das Minimum,“ sagt Rombauer, „damit die Pferde so viel Bewegungsanreiz haben, dass sie sich von alleine optimal trainieren.“ Wer die Junghengstherde in der Außenstation Ölbö besuchen möchte, muss also möglicherweise etwas länger suchen!

Die Stuten und Fohlen haben ihren eigenen Außenstall, ebenfalls einige Kilometer vom Hauptgebäude des Gestüts entfernt. Auch sie genießen reichlich Freilauf auf den unendlichen Weideflächen und finden sich abends wieder im großen Gemeinschafts-Laufstall zusammen. Im zentralen Gestütsgebäude selbst befinden sich nur die Hengste und Reitpferde. 

Waren Gestütsbesuche zu Zeiten des Kommunismus nur hohen Staatsgästen vorbehalten, so setzt man heute auf einen modernen Fremdenverkehr. Im gestütseigenen Hotel „Imperial“ kann man gleich neben den Hengstställen übernachten, das Restaurant „Ötösfogat“ (zu deutsch: Fünfspänner) bietet Spezialitäten wie Hirschsteak in Orangensauce oder Entenkeule mit Dörrpflaumen in Rotwein zu günstigen Preisen und in der noblen Atmosphäre des ehemaligen Offizierskasinos. Für Besuchergruppen werden auf Bestellung Schauvorführungen in der wirklich sehenswerten, eher einem Ballsaal ähnelnden Reithalle organisiert. Man kann aber einfach auch beim täglichen Training zuschauen und sich dran freuen, wie leichtfüßig und anmutig sich diese Pferde bewegen können.

Und natürlich kann man in Bábolna reiten! Seit Neuestem bietet das Gestüt verschiedene Ferienprogramme an, in deren Rahmen man Unterricht nehmen oder die Gegend auf Ausritten erkunden kann. Auch Fahrkurse sind möglich, denn die ungarischen Gespannfahrer sind ja durch ihre Turniererfolge weltweit bekannt geworden. Die Umgebung des Gestütes bietet mit den flachen, sandigen Wegen und viel Platz rundum ideale Voraussetzungen zum Reiten und Fahren. 
In Bábolna packt man auch die edlen Shagyas nicht in Watte: Ganz selbstverständlich wird hier so manches wunderschöne Pferd vor Mist- oder Maiskarren gespannt, um sich bei der täglichen Arbeit nützlich zu machen. Mit viel Sachverstand und Ruhe gehen die Mitarbeiter des Gestütes dabei vor, wenn ein ungestümes Jungpferd zum ersten Mal eingespannt werden soll. Und sie haben ein Händchen für die sensiblen Tiere, die sich schon bald vertrauensvoll in die neue Situation fügen. 

Alle zwei Jahre findet in Bábolna das „Festival für arabische Pferde statt,“ für Araber-Kenner ein Muss. Verkaufsauktionen gibt es derzeit noch keine, momentan experimentiert man aber mit einem „Silent Sale“- Verfahren, bei dem Angebote innerhalb eines bestimmten Zeitraumes verdeckt abgegeben werden. Das System soll künftig auch über das Internet angeboten werden. „Aber wir finden auch so für jeden Käufer das passende Pferd,“ lacht Rombauer, bei über fünfhundert Stück wird schon das richtige dabei sein!  

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