Schafe - Landschaftsretter im Pelz

Schafe - Landschaftsretter im Pelz

Schafe grasen friedlich und verträumt auf der Wiese. Willenlos folgen Sie dem Menschen zum Schlachthof oder lassen sich vom Wolf ohne große Gegenwehr fangen. Das sind die gängigen Klischees über diese Tierrasse. Doch das Schafe weitaus mehr bieten als Fleisch, Wolle und Milch zeigt ihr ökologischer Einsatz in der Landschaftspflege, der trotz moderner Landmaschinentechnik im elektronischen Zeitalter wieder wichtiger wird.

Schafen und Lämmern haftet die Opferrolle an. Noch heute werden sie in manchen Religionen als Opferlamm geschlachtet bzw. geschächtet. Im besten Fall landen sie ungefragt als putzige Comicfigur auf Postkarten. Die Filmindustrie setzt Schafe zudem häufig als Metapher für Angsthasentum ein. Naiv, ängstlich und treudoof – zu allem Überfluss besetzt Aesop in seinen Tierfabeln das Schaf mit negativen Rollenklischees. In der Landschaftspflege können Schafe aus ihrer Opferrolle „ausbrechen“ und wichtige ökologische Aufgaben übernehmen.

Harmlos verbringt das Schaf seine Zeit auf der Wiese, bevor der Hirte sich quasi in einen Metzger verwandelt und es zu Lammkoteletts verarbeitet – so lautet ein Textfetzen aus dem Lied „Sheep“ von Pink Floyd. Nicht viel besser ergeht es dem angeblich nichtsnutzigen Schaf im Rocksong „The black sheep of the family“ der britischen Hardrocklegende Rainbow. Auch im Hip-Hop-Song „B-Boys Makin' With The Freak Freak“ von den Beastie Boys kommt das Schaf nur zu einer geistlosen Gesangseinlage in Form eines monotonen Blökens. Beim Film „Das Schweigen der Lämmer“ griffen die Produzenten „einfallslos“ auf das Lamm als Metapher für Angst zurück. George Orwell vergleicht das Hausschaf in seinem Buch „Die Farm der Tiere“ gar mit einem strohdummen Volk, dass die einseitige Regierungspropaganda zu Stalin-Zeiten unreflektiert nachblökt. Ob Schaf Jolly, Schaf Maescot, sheepworld oder Shaun, das Schaf – der aggressive Leithammel in der Schafherde verputzt vermutlich regelmäßig beruhigende Schafgarben-Pflanzen um zu verdrängen, dass seine Artgenossen als niedliche Comicfiguren kommerziell „ausgeschlachtet“ werden! Als Drogen freier „Downer“ könnte ihm beim Abschalten aber auch klassisches Schäfchenzählen in der Schäfchenwolke helfen. Wie dem auch sei: auf den Menschen – insbesondere Genforscher – ist der Leithammel ohnehin nicht immer gut zu sprechen. Wissenschaftler verdienen gutes Geld und haben ihre Schäfchen oft schon im Trockenen. Außerdem haben Genforscher den Leithammel vor Jahren mit dem Klon-Schaf Dolly um ein nettes „Schäferstündchen“ gebracht. Da bleibt dem Anführer der Schafherde als Trost der Lammkeulenbraten im Gasthaus Lamm mit anschließender Schafkopf-Runde. Oder doch besser gleich ein Frust-Saufen mit Bockbier mit seinem ewigen Rivalen – dem Schäferhund?

Ob Wolf im Schafspelz, treudoof wie ein Schaf oder das schwarze Schaf der Familie, das sich nicht herdenkonform verhält – dem angeblich gutmütigen Schaf gehen diese Rollenklischees „tierisch“ auf die Hufe. Der Mensch findet Schafe einfach nur „tierisch“ gut – sie liefern ihm schließlich seit Tausenden von Jahren Wolle, Milch und Fleisch. Darüber hinaus steuern Schafe Rohmaterial für Leime, Kerzen oder Seife bei. Auch bei kosmetischen Produkten liefern Schafe wichtige Rohmaterialien. Schafdarm wird bei der Herstellung von Wurstwaren und bei der Bespannung von Tennisschlägern eingesetzt, während Schafskot einen wertvollen Dünger abgibt – auch wenn dieser inzwischen oft durch chemische Kunstdünger ersetzt wird. Während Schafwolle ..

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Effiziente Landschaftsretter

Im elektronischen Zeitalter setzt der Mensch bei der Landschaftspflege nicht nur auf die „chemische Keule“ oder robuste Technik. Spezielle Landschaften werden mit moderner Landmaschinentechnik gepflegt und mit traditioneller Wanderschäferei kombiniert.

In Zeiten von Qualitätsmanagement und Prozessoptimierung hält das Schaf dank seiner effizienten und ressourcenschonenden Arbeitsweise im Geschäftsfeld „Landschaftspflege“ locker mit! Während der Mensch heutzutage seine monotone Fließband-/Bildschirmarbeit in seelenlosen Büro-/Industriegebäuden hinterfragt, freut sich das Schaf über eine Sinn stiftende Aufgabe an der frischen Luft.

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Tierischer „Shuttleservice“ für Pflanzen und Kleintiere

Das dichte Fell von Schafen dient als hervorragendes Transportmittel für Samen und kleine Tiere wie Heuschrecken, die so kostenlos von einer Weidefläche zur nächsten gelangen. So ermöglichen Schafe wichtigen Landschaften wie Wacholderheiden, Mager- und Trockenrasen regelmäßige Regenierungsphasen, die für die Artenvielfalt unerlässlich sind. Dank dem Schaf als fleißige Landschaftspflegehilfe bestehen für Enzian- und Orchideengewächse, heimische Grillen- und Heuschreckenarten sowie seltene Schmetterlinge wie Apollo- und Segelfalter weiterhin Zukunftschancen – vor allem in der Lünenburger Heide, der Fränkischen Schweiz und auf der Schwäbischen Alb, in der die Wanderschäferei eine lange Tradition einnimmt.

Die Landschaftspflege stellt heutzutage neben dem Verkauf von Lammfleisch das wichtigste Standbein für Wanderschäfer dar. Allein vom Verkauf von Milch und Fleich könnte keine Wanderschäferei mehr überleben. Trotz finanzieller Unterstützung durch die EU erleben Wander- und Hüteschäfer eine überbordende Bürokratie und einen drastischen Erlösrückgang für Wolle, Fleisch und Milch. Auch die zunehmende Industrialisierung und Urbanisierung ist ein Problem – die Wege zu geeigneten Weide- und Trinkflächen werden immer länger. Monokulturen in der Agrar- und Holzwirtschaft machen die Arbeit für Schäfer auch nicht gerade einfacher. Das geringste Problem dürfte dabei noch der Wolf sein, der inzwischen auch in der Lüneburger Heide angekommen ist und hin und wieder Lämmer reißt. Für Schafrisse durch das Raubtier Wolf erhalten Schäfer einen finanziellen Ausgleich – dieser darf in in ihren Augen aber gerne höher ausfallen.

Erhaltung von Kulturlandschaften

Neu gegründete Initiativen wie das Naturschutzprojekt Frankenhöhe-Lamm kombinieren die traditionelle Landschaftspflege mit einer kulinarischen Spezialität. Hüteschäfer, Metzer und Gastronomen wollen mit dem Frankenhöhe-Lamm ihren kulinarischen Beitrag leisten, um die traditionelle Kulturlandschaft auf der Frankenhöhe zu erhalten. Schafe, die in ihrem ehemaligen natürlichen Lebensraum selbst dazu beitragen, dass die letzten verbliebenen Wacholderheiden im fränkischen und schwäbischen Raum erhalten bleiben – das sind Naturschutzprojekte, die gerne Schule machen dürfen. Der Mensch leistet in den landschaftlich wertvollen Flächen mit (nicht-)elektrischer Handmahd die Vorarbeit – den Rest erledigen Schäfer, Schäferhund und Schafherde in Koproduktion.

Zur Belohnung für die anstrengende Arbeit bei Wind und Wetter gibt es eine finanzielle Belohnung durch Kommunen, Bundesländer und die EU. Intakte Schafweiden sichern nicht nur den Naturschutz und das Einkommen von Wanderschäfern, sondern kurbeln auch gleichzeitig den sanften Tourismus durch erholungsbedürftige Städter an – eine dreifache Win-Win-Win-Situation. Und wem haben wir das zu verdanken? Dem fleißigen Powerschaf! Also nichts wie weg mit den Vorurteilen vom verweichlichten und treudoofen Hausschaf. Das Schaf zählt neben Rind und Ziege schließlich zur „tierischen“ Troika beim Codewort „Landschaftspflege“!

Bekannte Schafrassen

Schafrasse Herkunft/Einsatzgebiet
Landschaf Emsland
Bergschaf Bayern, Tirol
Coburger Fuchsschaf Europäische Mittelgebirge
Heidschnucke Lüneburger Heide
Islandschaf Island
Kärntner Brillenschaf Kärnten
Krainer Steinschaf Alpenraum
Leineschaf Leinetal in Niedersachsen
Merinoschaf Spanien
Moorschnucke Moore in Niedersachsen
Ostfriesisches Milchschaf Ostfriesland
Rhönschaf Rhön
Steinschaf Bayrische Alpen und Voralpen
Walachenschaf Mittelgebirge in der Slowakei und Rumänien
Waldschaf Bayrischer Wald, Böhmerwald


Text: Andreas Scholz,
Fotos: Andreas Scholz / BIldagentur Zoonar (Andi Mueller, Sailer Images)

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