Die Seherin von Prevorst

Die Seherin von Prevorst

„Ich sehe was, was du nicht siehst“ und „wer hat Angst vorm schwarzen Mann“ – die ältere Generation kennt diese Spiele sicher noch aus der eigenen Kindheit. Viele besondere Dinge sah auch Friederike Hauffe aus Prevorst. In ihren Schlaf-, Nachtwandel- oder Fieberträumen sah sie den „bösen schwarzen Mann“ mehr als ihr lieb war. Mit der Seherin Friederike Hauffe und ihrem Leibarzt Justinus Kerner beschäftigt sich die Parapsychologie bis heute.

Botschaften aus einer anderen Welt

Über die „Seherin von Prevorst“ sind in der Vergangenheit schon einige Artikel veröffentlicht worden, was bei diesem ergiebigen Thema auch kein Wunder ist. Ob Traumdeutung, Parapsychologie, Somnambulismus („Schlafwandeln“), Schwäbisches Dichtertum, Behandlung von psychischen Erkrankungen im 19. Jahrhundert oder gesellschaftliche Zwänge im Leben einer jungen Frau in Württemberg um 1825 – die Namen Friederike Hauffe und Justinus Kerner liefern Redaktionen auch im Web 2.0-Zeitalter einen bunten Themen-Cocktail. Das Thema Wein würde sich in diesem Zusammenhang ebenfalls anbieten – schließlich findet die Wortschöpfung der weißen Rebsorte „Kerner“ ihren Ursprung beim schwäbischen Arzt und Dichter Justinus Kerner.

Aberglauben, Okkultismus, Hellsehertum, Magnetismus, Spuk-Phänomene und Magie haben den Menschen schon immer fasziniert. Der Aberglaube wird in der Literatur gerne aufgegriffen – ein gutes Beispiel ist der kultige Comic-Band der Asterix-Reihe mit dem Titel „Der Seher“. Schon zu Lebzeiten für Aufsehen sorgten die außergewöhnlichen Fähigkeiten der Seherin Friederike Hauffe, die angeblich Botschaften aus einer anderen Welt vermitteln konnte. Die „geschundene“ Seele von Friederike Hauffe fand ihre letzte Ruhestätte auf dem Waldfriedhof in Löwenstein – direkt neben liegt auch das Grab von Manfred Kyber. Das Grab mit vergoldetem Strahlenkranz und Kreuz ziert eine Danksagung: „Glaube und Liebe heilen auch die irre Seele von einem Freunde, der dir sein Glück auf Erden dankt (G.v.M.)“. Der Graf von Maldeghem bedankte sich damit einst für die seherischen und heilenden Fähigkeiten von Friederike Hauffe, die seiner Frau 1828 bei einem schweren Nervenleiden stark halfen.

Eine schwierige Kindheit

Friederike Hauffe – geb. Wanner – kam 1801 in Prevorst zur Welt. Das kleine Dorf in den Löwensteiner Bergen zählte damals um die 150 Einwohner. Friederikes Vater – Ernst Wanner – war als Reisigförster in Prevorst tätig und diente davor mehr als zehn Jahre lang als württembergischer Soldat. Ernst Wanner galt als cholerisch und „harter Hund“, der sich von seinen Waldarbeitern und der Familie Gehorsam wünschte. Friederike konnte daher schon als Kind kaum eine stabile Psyche entwickeln, obwohl ihre Mutter eine feinfühlige und belesene Frau war, die ihrem strengen Mann Kontra gab. Oft kam es zu familiären Spannungen – auch weil das Geld stets knapp war. Die sensitive Friederike reagierte schon als Kind auf Reize sehr stark. Aufregendes verarbeitet sie alsbald in mächtigen Träumen. Bei Kritik trat sie schnell den inneren Rückzug an. Bereits als kleines Mädchen geht Friederike Wanner spielerisch leicht mit der Wünschelrute um! Zudem hat sie ein Gespür für verborgene Dinge und ahnungsvolle Träume.

Im Alter von vier Jahren nehmen die Großeltern das Mädchen zu sich nach Löwenstein. Beim Spazieren mit dem Großvater bleibt Friederike an bestimmten Stellen stehen – sie friert und wird wehmütig. Auf dem Friedhof das gleiche Spiel. In der Nacht erscheint ihr auf dem Flur einmal gar eine schwarze Gestalt mit glühenden Augen. Die Großeltern Schmidgall galten ebenfalls als sensitiv – sowohl der Großvater als auch die Großmutter interessierten sich für Okkultismus und Jenseitsformen. Dies dürfte einerseits die innige Verbundenheit von Friederike mit den Großeltern und andererseits die eigene Sensitivät verstärkt haben – sogar von telepathischen Fähigkeiten der Enkelin ist die Rede. Mangels Dorfarzt geht Friederike zur Behandlung einer Augenerkrankung für eine kurze Zeit zurück nach Prevorst. Im Alter von 12 Jahren tritt die Augenerkrankung erneut auf – Friederike wird erneut in Prevorst behandelt. Diesmal bleibt sie aber in Prevorst, um ihrer Mutter zu helfen.

Flucht in die Krankheit

Die Familie zieht eines Tages um nach Oberstenfeld. Der Nachbar von Friederike ist der Stiftsprediger Tritschler. Der belesene Prediger scheint sich mit Okkultismus und Naturphilosophie gut auszukennen – Friederike saugt sein Wissen wie ein Schwamm auf. Als der Stiftsprediger vier Jahre später stirbt, verlobt sich Friederike gerade mit dem zwölf Jahre älteren Gottlieb Hauffe – als reicher Kaufmann eigentlich eine gute Partie. Obwohl sie ihren Verlobten überhaupt nicht mag, heiratet sie ihn dann doch. Es wird vermutet, dass Friederike nicht gegen das vierte Gebot verstoßen wollte, da die Eltern ihr den Mann schließlich ausgesucht hätten.

Am Tag ihrer eigenen Verlobung weilt Friederike am Grab des gerade verstorbenen Stiftspredigers Tritschler. Die gewohnte Schwermut fällt plötzlich ab. Diese wandelt sich in eine Gleichgültigkeit gegenüber dem Lauf der Dinge um – ein Vorbote für die Weltflucht, die von nun an die junge Frau begleiten sollte? Die ehelichen Pflichten als Frau eines Geschäftsmannes nahm sie fortan kaum noch wahr – in ihren Gedanken ist das Jenseits einfach viel präsenter. Mit ihrem Ehemann wohnt sie fortan in Kürnbach – die engen Gassen und die argwöhnischen Blicke der Frauen und Mädchen dort sind nichts für sie. Sie tritt den inneren Rückzug an. Die Spannungen im Ort verschärfen sich und dadurch wächst auch die Angst von Friederike Hauffe.
In ihrer Verzweiflung spricht sie im Traum den verstorbenen Stiftsprediger Tritschler an, von dem sie sich Linderung erhofft. Gottlieb Haufe weckt seine Frau auf. Friederike Hauffe bekommt in der Folge hohes Fieber, hat wochenlang Brustkrämpfe und unterzieht sich mehreren Aderlasskuren.

Die junge Frau wird zur Außenseiterin

Auf unerwünschte Besucher am Krankenbett reagiert der Körper der Patientin mit fürchterlichen Krämpfen. Etwas Linderung verschafft ihr ein Arzt aus Bretten, der Handauflegen und magnetische Striche verordnet, um die Brustkrämpfe und die Anzahl der Aderlässe zu reduzieren. Die Sonderbehandlung der Patientin fällt im Ort auf. Die Sensitivität von Friederike Hauffe nimmt zu, erste paranormale Phänomene kommen zum Vorschein, die sich wie die „Zutaten“ für einen Horrorfilm lesen – in Kürnbach rollen Fässer, überall gibt es Kettengerassel und im Haus gibt es Flackerlichter und um Mitternacht ertönen viele Stimmen!

Die junge Frau aus Württemberg wird im badischen Kürnbach als Hexe abgestempelt. In jener Zeit wird Friederike Hauffe zum ersten Mal schwanger – doch der Sohn stirbt bereits nach wenigen Monaten. Die Krankheit der jungen Frau wird nicht besser, dafür die Träume und Erscheinungen umso intensiver. So sieht Friederike Hauffe ihr Ebenbild, dass im Zimmer auf einem Stuhl sitzt. Sie träumt auch stark von Erlebnissen, die zu einem späteren Zeitpunkt eintreffen. Einmal sieht sie im Traum ihren Großvater in einem Sarg liegen – sechs Wochen später stirbt der Großvater. Kristall hilft ihr sogar beim Tagträumen. Immer mehr „Gestalten“ begegnen Friederike Hauffe im Traum. In Löwenstein „erscheint“ ihr ein alter Mann mit Akten unter dem Arm. Auch eine silberne Schlange und ein schwarzer Mann mit Kutte „erscheinen“ der jungen Frau. Doch nicht nur Friederike Haufe selbst, sondern auch ihre Eltern und der Bruder vernehmen unheimliche Klopf- und Krachgeräusche. Im Jahre 1825 bringt Friederike Hauffe einen Jungen zur Welt. Dieser galt wie die Mutter als hypersensibel. Er überlebt die Mutter und stirbt mit 23.

Justinus Kerner tritt ins Leben der Seherin

Der labile Gesundheitszustand der Enkelin lässt den Großeltern keine Ruhe. Nun kommt der Arzt Justinus Kerner ins Spiel. Er besucht Friederike Hauffe in Löwenstein und ordnet einen Verzicht auf die magnetische Sonderbehandlung der Patientin an. Friederike Hauffe wird in Weinsberg behandelt – in der Nähe von Kerners Haus. In seinen Aufzeichnungen über die Seherin von Prevorst schreibt der Autor Rudolf Lang von knapp 3.000 Besuchen Kerners am Krankenbett von Friederike Hauffe in nur 2,5 Jahren! Friederike Hauffe war es gewöhnt, dass man sich um sie intensiv kümmerte und ihr am Krankenbett jeden Wunsch erfüllte. Justinus Kerner probierte das genaue Gegenteil aus. Doch homöopathische Mittel schlugen nicht an – der jungen Frau ging es wieder schlechter. Justinus Kerner änderte seine Behandlungsmethode und setzte doch wieder auf die Magnettherapie. Mit Erfolg – noch im magnetischen Schlaf erklärt die Patientin, dass sie durch die Magnetstriche bald wieder gesund sei. Kurze Zeit später ist es tatsächlich soweit – die sterbenskranke Frau wirkt plötzlich wieder viel vitaler.

Das gesundheitliche Auf und Ab am Krankenbett von Friederike Hauffe geht am Pflegepersonal nicht spurlos vorüber – manche Wärterinnen klagen über Sehschwäche oder fallen in Ohnmacht, anderen frösteln die Glieder. Bei Justinus Kerner bricht dagegen das „wissenschaftliche Fieber“ um seine „Star-Patientin“ durch, der er zu Beginn gar Psychopathie vorwarf. Er spricht fortan sogar mit Friederike Hauffe, macht sich eifrig Notizen und nimmt die Patientin schließlich in seinem Haus in Weinsberg auf. Durch den engen Kontakt zwischen Arzt und Patientin treten vermehrt paranormale Phänomene auf – ein Verdienst von Kerners echtem Interesse an Okkultismus und seinem regelmäßigen Lob an die Patientin für ihre paranormalen Leistungen.

Prominente wollen die Seherin „live“ erleben

Ob Franz von Baader, Karl August von Wangenheim oder Gotthilf Heinrich von Schubert – die Liste an Persönlichkeiten, die bei Kerner ein- und ausgingen, um einen Blick auf das Phänomen Friederike Hauffe zu erhaschen, liest sich wie ein „Who is who“ der damaligen Zeit. Kerner startet mit seiner Patientin Versuchsreihen, die er seinen Freunden zeigt. Die Versuche stellt er allerdings ein, da sie Friederike Hauffe offenbar doch eher schwächen – fortan begnügt er sich wieder mit der Beobachtungshaltung. Während der Testversuche passierten allerdings Dinge, die den Mythos der Seherin von Prevorst zementierten. So nahmen Kerner, Freunde und Dienstmägde zunehmend auch selbst Spukgeräusche wahr. In zahlreichen physikalischen Versuchen notierte Kerner die Einwirkungen von Stoffen auf den Körper – z.B. Mineralien. Aber auch den Effekten von Wasser, Sonne, Mond oder Tönen spürte er bei der Patientin nach. Kerner erkannte auch die Fähigkeit von Friederike Hauffe, zutreffende Diagnosen nicht nur bei sich, sondern auch bei fremden Personen wie der Gräfin von Maldeghem zu stellen.

Am 25. August 1829 stirbt Friederike Hauffe. Ihre paranormalen Fähigkeiten dienen heute als spiritistische und esoterische Inspirationsquelle. Friederike Hauffe hat in in ihren Träumen viele Geister und Gestalten gesehen. Der Mensch von heute muss allerdings nicht einmal träumen oder über eine prophetische Begabung verfügen, um festzustellen, dass es in der Welt mehr Dunkel- als Lichtgestalten gibt – ein Klick auf den Einschaltknopf des Fernsehers reicht hierzu aus. So viele „Dämonen“ und „Quacksalber“ in Talkshows, die „geistlos“ daherreden – ein Albtraum, der leider real ist ;-)

Text: Andreas Scholz,
Bilder: Andreas Scholz

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