Kulturschatz Waldweide – bei Waldenburg pflegt Vieh die Landschaft

Seltene Orchideen im Biotop für die Fantasie
Waldweiden

Früher gab es im süddeutschen Raum noch traditionelle Hutewälder. Das Vieh konnte sich im Eichen-, Birken- und Buchenwald sattfressen – daher auch der Begriff „Eichelmast“. Heute werden Waldweiden ebenfalls wieder traditionell gepflegt. In den Waldenburger Weiden sorgen Ziegen und Rinder dafür, dass seltene Pflanzen wie Orchideen und Arnika weiterhin vorkommen.

Kulturschatz Waldweide – bei Waldenburg pflegt Vieh die Landschaft

Dort meckert es „Määäääh“ und hier schallt es „Muuuh“ aus dem Entlesboden – einem lichten Birkenwäldchen bei Waldenburg. Weidevieh im Wald? Da reiben sich Spaziergänger die Augen. Der Entlesboden zählt mit der Oberen Weide bei Obersteinbach und der Viehweide bei Michelbach am Wald zu den wichtigsten Naturschutzgebieten in den Waldenburger Bergen.

„Rinder und Ziegen im Wald sind etwas Besonderes“, schmunzelt Karin Schmetzer-Bucka aus Waldenburg-Goldbach. Die Diplom-Agraringenieurin bewirtschaftet mit ihrem Mann Michael einen biologisch-dynamischen Milchviehbetrieb. Ihre Tiere setzen sie zur Landschaftspflege ein, im Auftrag des Regierungspräsidiums.

Vieh hindert Unterholz

Hutewälder, wie der Fachbegriff für einen als Weide genutzten Wald lautet, waren gängig bis ins 19. Jahrhundert. Das Nutzvieh wurde zur Futtersuche in den Wald getrieben. Durch die Beweidung gingen Strauch- und Baumbewuchs zurück. Das wirkte sich auf Boden und Vegetation aus und es entstanden lichte, parkähnliche Wälder.

Besonders gut zur Mast in der traditionellen Waldweide eigneten sich Eichen. Die „deutsche“ Eiche war obendrein auch ein beliebtes Bauholz. Dem Eichenbaum galt in der Waldweide daher ein besonderes Augenmerk. Noch heute stehen z.B. in der Michelbacher Viehweide zwischen Birkenbäumen noch einige knorrige Eichen mit Baumkronen von imposantem Ausmaß!

Als sich im 19. Jahrhundert die Stallhaltung durchsetzte, wurden Waldweiden für die Streunutzung ausgebeutet – herumliegendes Laub und frisches Gras wurden sofort in den Stall gebracht. Als Folge verarmten die Böden an Nährstoffen. Im 20.
Jahrhundert kristallisierte sich heraus, dass selten Pflanzen wunderbar auf den sauren, mageren Böden der ehemaligen Hutewälder gediehen.

Biotop für die Fantasie

Heute blühen auf den Waldweiden im Frühsommer geschützte Orchideen wie Geflecktes Knabenkraut und Heilpflanzen wie Arnika. Das Verlassen der Wege und Pflücken von Blumen ist in Naturschutzgebieten selbstredend verboten – wer sich aber an die Regeln hält, kann in den Zauber der Hutewälder eintauchen.

Im Goldenen Oktober erinnern hohe Gräser im Entlesboden an afrikanische Savannen. Anders im Frühsommer: Knorrige Eichen, Birken und frisches Grün – nun ähneln die Biotope verwunschenen Feenwäldern und der versteckte See in der Michelbacher Viehweide ist dank Wollgras und Teichrosen ein Farbenmeer und ein Paradies für Frösche.

Ganzjähriges Engagement für die Waldweiden

Schmetzer-Bucka und ihre Mitstreiter sorgen in Kooperation mit Naturschutz- und Forstbehörden sowie Biologen dafür, dass der Naturzauber der Waldenburger Viehweiden erhalten bleibt.
„Orchideen-, Wollgras- und Arnikaflächen, Streuwiesen, ehemalige Hutewälder, Hochmoore – jedes Gebiet bedarf besonderer Pflege“, sagt Karin Schmetzer-Bucka.

Eine enge Kooperation mit den Naturschutz-/Forstbehörden und Biologen ist daher unerlässlich, um die einzigartigen Biotope zu erhalten und weiterzuentwickeln. „Mit der temporären Auszäunung von besonderen Flächen innerhalb der Waldweiden allein ist es nicht getan“, weiß die Diplomagraringenieurin.

Ob Waldbeweidung mit Rindern und regelmäßiger Kontrolle der Tiere, Gehölzpflege durch Ziegen, Anbringen von Verbiss-Schutz an Eichen, Rückdrängen der Sukzession, Gehölzeinschlag, Handmahd im Herbst oder winterliche Erst- und Nachpflege – zu tun gibt es in den Waldweiden mehr als genug. Und so fühlten sie sich „ein bisschen wie Restauratoren dieser Kulturschätze“. Zurecht: Die Landschaftsbilder, die einst durch Beweidung entstanden, bleiben heute dank ihr erhalten – ein Kreis schließt sich.

Text und Bilder: Andreas Scholz

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