Frühlingsboten der Natur - Dem Vorfrühling auf der Spur

Haselnussblüten und Schneeglöckchen die ersten Vorboten
Dem Vorfrühling auf der Spur

Auch im Jahr 2015 setzt der Vorfrühling bereits früh ein. Dies bestätigen der Naturbeobachter Walter Hanselmann aus Vellberg und der Wetterexperte Martin Melber aus Westheim anhand von aktuellen phänologischen Beobachtungen.

Wer derzeit aufmerksam im Kochertal bei Schwäbisch Hall zu Fuß unterwegs ist, kann bereits seit Mitte Januar die ersten Frühlingsvorboten entdecken. Am Wegesrand recken Schneeglöckchen ihr weißes Köpfchen in die Höhe. Gelbgrüne und rosafarbene Haselnussblüten sorgen für zarte Farbtupfer in der ansonsten noch kahlen Winterlandschaft. Schneeglöckchen und Haselnussblüten zählen in der Phänologie zu wichtigen Zeigerpflanzen. „Phänologie kann mit Wiederkehr übersetzt werden – im wissenschaftlichen Sinne ist damit die Wiederkehr der Vegetation gemeint“, erklärt Walter Hanselmann aus Vellberg. Es gebe eine Einteilung in zehn biologisch nachweisbare „phänologische Jahreszeiten“. „Der Vorfrühling mit wichtigen Zeigerpflanzen wie Hufflatich, Märzenbecher, Erlenblüten, Palmkätzchen oder Schneeglöckchen bildet eine dieser phänologischen Jahreszeiten“, erklärt Walter Hanselmann.

Haselnussblüten und Schneeglöckchen die ersten Vorboten

Bei Wind und Wetter ist der leidenschaftliche Naturbeobachter im Bühlertal unterwegs, um den Übergang der Jahreszeiten mithilfe von Pflanzenfunden zu dokumentieren und auf ehrenamtlicher Basis an den Deutschen Wetterdienst weiterzuleiten. „Die Natur ist zu Jahresbeginn auch diesmal wieder früh aus den Startlöchern gekrochen“, erklärt der Rentner. Schon vor der Jahreswende hat der gelernten Gärtner männliche und weibliche Blütenstände der Haselnuss bei Ummenhofen gesichtet. „Kurz vor Weihnachten war es sehr mild und da habe ich die Blüten zum Test gleich angetippt, ob sie stäuben“, erklärt Walter Hanselmann.

An milden Frühjahrstagen hält der Vellberger auch nach Bienen Ausschau. „Bienen starten zu Jahresbeginn mit Reinigungsflügen, bevor sie die ersten Frühjahrsblüten auf der Suche nach Nektar ansteuern“, weiß er. Phänologische Beobachtungen wie diese helfen Meteorologen unter anderem bei der Klimaforschung oder der Pollenflugvorhersage. Auch wann das Wintergetreide voraussichtlich seine Vollreife erhält, lässt sich durch die Phänologie grob bestimmen. Walter Hanselmann meldet ausschließlich Pflanzenfunde aus der freien Natur. „Das Schneeglöckchen und der Zierkrokus im Vorgarten zählen nicht, da sie in einer Wohnsiedlung viel mehr künstliche Wärme aufnehmen können als im schattigen Hangwald“, erläutert er.
Der Vellberger kennt auch Martin Melber vom Deutschen Wetterdienst. „Herr Hanselmann hat uns schon viele phänologische Beobachtungen weitergeleitet“, so Martin Melber. Der Westheimer ist stellvertretender Stationsleiter auf der 734 Meter hoch gelegenen Wetterwarte Stötten bei Geislingen/Steige. „Je höher ein Ort liegt, desto verzögerter setzt dort die Vegetation ein“, berichtet der Wetterexperte. 100 Meter Höhenunterschied verringere die Temperatur um ein Grad – gelegentliche Inversionswetterlagen mal ausgenommen. „Wenn bei Tullau die ersten Schneeglöckchen blühen, dann blühen sie an der höher gelegenen Bilz erst ein paar Tage später“, sagt Martin Melber. Am frühesten setze die Vegetation in Baden-Württemberg traditionell am Oberrhein ein. „Auch im Neckartal zwischen Heidelberg und dem Heilbronner Unterland zeigen sich die ersten Frühjahrsblüher in der Regel eine Woche vorher als im Haller Raum“, erklärt der Wetterbeobachter.

Die Vergangenheit habe aber oft gezeigt, dass der Vorfrühling auch schnell wieder von einer Kälteperiode abgelöst werden kann. Ein ganz persönlicher Wetterindikator für Martin Melber ist der Gaildorfer Pferdemarkt. Da war ich schon bei angenehmen 15 Grad Plus, aber auch bei Mittagstemperaturen von Minus 15 Grad unterwegs“, sagt er lachend. Auch Walter Hanselmann bleibt skeptisch. „Die Natur kann nach milden Januartagen ihre Entwicklung auch abrupt bremsen, wenn es plötzlich wieder kälter wird“, sagt er. Doch auch eine neuerliche Kältewelle dürfte den rüstigen Rentner kaum von seinen phänologischen Streifzügen im Bühlertal abhalten.

Biologische Jahreszeiten
Die Phänologie teilt Jahreszeiten nach dem Erscheinungsdatum in der Pflanzenwelt ein. Es gibt insgesamt zehn biologisch nachweisbare „Phänologische Jahreszeiten“. Diese dokumentieren von Jahr zu Jahr die zu unterschiedlichen Terminen überprüfbaren Entwicklungen in der Natur. Die phänologischen Jahreszeiten lassen sich anhand von Zeigerpflanzen bestimmen. So beginnt der Vorfrühling beispielsweise mit der Blütezeit von Haselnuss, Schwarzerle, Märzenbecher und Schneeglöckchen. Mit der Blüte der Salweide endet der Vorfrühling. Der Erstfrühling startet mit der Blüte von Forsythie, Kirsche, Schlehe und Ahorn. Auch die Blattentfaltung von Birke und Buche ist ein Indiz für den einsetzenden Erstfrühling. Der Vollfrühling bricht sich seinen Bann, wenn die Blüte von Apfel, Flieder und Rosskastanie einsetzt oder die Buche ihre ersten Blätter entwickelt.

Text und Fotos: Andreas Scholz

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