Wie die Silberameise in der Sahara überlebt

Zehn Minuten in der Wüstensonne

EXPOSÉ Von Andreas Scholz

Wohl kein Tier auf der Erde hält Hitze besser aus als die Silberameise in der Sahara.

In zehn Minuten kann viel passieren. In 600 Sekunden bewegt sich ein Faultier am Boden maximal 20 Meter fort, und das tut es nur, um dort seine großen Geschäfte zu verrichten. Etwas actionreicher als beim langsamsten Landsäugetier der Welt geht es hingegeben beim Radnetzbau der Kreuzspinne zu: Innerhalb von zehn Minuten hat die Spinne immerhin knapp fünf Meter Fäden aus den winzigen Drüsen am Hinterlob gezogen. Getoppt wird die Fleißarbeit der Kreuzspinne aber vom regelrechten „Akkordtempo“ eines noch winzigeren Insekts. Es gibt eine Ameise, dass die zehn Minuten bei 60 Grad Celsius in der prallen Sonne der Sahara überleben kann.

Die Silberameise muss in der größten Hitze des Tages ihren unterirdischen Bau verlassen, um die Überreste toter Insekten in ihren Bau zu schleppen, bevor sie verbrutzeln. Dank ihrer geriffelten Haare an der Körperoberfläche kann sie die Wärme kurzzeitig ableiten. Für einen kurzen Moment kann die kleine Silberameise (Cataglyphis bombycina) diesem Glutofen trotzen.

Aber warum kommt sie nicht frühmorgens oder spätabends aus ihrem Nest, wenn es kühler ist? Die Silberameisen wagen sich aus ihrem unterirdischen Bau, wenn es ihrem größten Fressfeind – der Fransenfingereidechse – bereits zu heiß ist. Dabei bedient sich das winzige Insekt einem Überlebenstrick, wie Wissenschaftler der Universität Zürich um den Schweizer Zoologen Rüdiger Wehner mittlerweile herausgefunden haben. Die geriffelten Haare an der Körperoberfläche der Ameise reflektieren das Sonnenlicht. Das haben die Wissenschaftler bei Tests mit behaarten und unbehaarten Ameisen entdeckt.

Die Haare streuen den Lichteinfall im Infrarotbereich. Die Wärme wird als Folge quasi über die Haare abgestrahlt. Zusätzlich produziert die Silberameise auch Hitzeschockproteine. Ähnlich wie europäische Heideschnecken, die bei brütender Hitze den Boden meiden und im lahmen Schneckentempo zu höher liegenden Grashalmen überwechseln, halten es auch die afrikanischen Silberameisen. Während der prallen Mittagssonne halten sie sich für eine kleine Verschnaufspause auf höher liegenden Pflanzen auf.

Die haarige Körperoberfläche der Ameise ist thermisch transparent und speichert die Wärme. Aber: an einem schattigen Plätzchen können sie die innere Wärme auch schneller wieder ableiten. Trotzdem heißt es spätestens nach zehn Minuten: zurück in den Bau, bevor die Ameisen in der Sahara sprichwörtlich wie Spiegeleier in der Pfanne brutzeln. Die geriffelten Ameisenhaare an der Körperoberfläche und ihre Fähigkeit zur Manipulation von elektromagnetischen Wellen dienen der Wissenschaft inzwischen als Testfeld für die Entwicklung von passiven Kühlungsmechanismen für Gebäude, Fahrzeuge und sogar Textilien.

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Text: Andreas Scholz
Fotos: Andreas Scholz und Bildagentur Zoonar (Edler von Rabenstein, jhfotografie)

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1. Die Wüste lebt !
2. Naturwunder Sahara
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