Hebron: eine Stadt im Ausnahmezustand

Hebron als Beispiel für den Nahostkonflikt
Hebron: eine Stadt im Ausnahmezustand

EXPOSÈ von Boris Messing

Im September dieses Jahres jährte sich das Oslo-Friedensabkommen zum 25. Mal. Obwohl gescheitert, dient es noch immer als Grundlage für eine Zwei-Staaten-Lösung. Basierend auf Oslo entstanden weitere Abkommen, die den Frieden zwischen Israelis und Palästinensern ermöglichen sollten. Das Hebron-Protokoll von 1997, das die zweitgrößte Stadt des Westjordanlands in zwei Teile teilt, war ein solches. Genützt hat es nichts.

Wenn man vom Stadtzentrum in Hebron die große a-Shuhada-Straße hinunter zum Grab der Patriarchen läuft, begegnet man einer verstörenden Leere. Verbarrikadierte Hauseingänge und Schrott, der sich in Ecken sammelt, blockierte Seitenstraßen und kahle Plätze, wo einst der Gemüse-, Vieh- und Goldmarkt angesiedelt waren: Die Altstadt von Hebron hat sich in zwanzig Jahren zu einem Geisterort entwickelt. Diese Entwicklung kam nicht von ungefähr; sie spiegelt unter umgekehrten Vorzeichen ein Ereignis wider, das vor knapp neunzig Jahren geschehen war.

Als 1929 im Kontext landesweiter Unruhen 67 Juden aus Hebron von einem Mob ermordet wurden, entschied die damalige britische Mandatsmacht die restlich verbliebenen Juden über einen Zeitraum von wenigen Jahren zu evakuieren, um weiteres Morden zu verhindern. Das Leben hunderter, strengreligiöser Juden, die sich vor allem seit der spanischen Reconquista Ende des 15. Jahrhunderts in Hebron angesiedelt hatten, kam zu einem Ende. Jüdisches Leben sollte erst fünfzig Jahre später in die Stadt zurückkehren. Seitdem kam und kommt es immer wieder zu gewalttätigen Angriffen auf beiden Seiten. Hebron ist die einzige Großstadt im Westjordanland, in der eine kleine Gruppe von geschätzten 700 jüdischen Siedlern neben einer Mehrheit von mehr als 200.000 palästinensischen Einwohnern lebt. Beschützt werden die Siedler von über tausend israelischen Soldaten, die sich auf knapp zwei Dutzend Militärstützpunkte in und um die Altstadt verteilen. Durch Stadtführungen und Protestaktionen liefern sich israelische und palästinensische NGOs auf der einen Seite sowie nationalreligiöse Siedler auf der anderen Seite einen Kampf um die Deutungshoheit der Stadtentwicklung.

Die Siedler sehen sich als Opfer palästinensischen Terrors und restriktiver israelischer Politik

Ein Sommertag im Juli. Ein Reisebus keucht die a-Shuhada-Straße hoch und hält an ihrem Ende. Hier an einem Seitenweg liegt Tel Rumeida, eine von vier jüdischen Nachbarschaften der Altstadt von Hebron, gegründet 1984. Es sind nur ein paar schlicht erbaute Wohnblocks, in denen acht Familien genau neben einer archäologischen Ausgrabungsstätte leben. Die Gruppe der fast ausschließlich aus den USA angereisten jüdisch-orthodoxen Touristen sammelt sich um Rabbi Simcha Hochbaum, ein paar Russen und Holländer sind auch dabei. Hier an diesem Ort, sagt Hochbaum in sein Mikrofon, habe Gott Abraham zum ersten Mal das Land Eretz Israel versprochen; hier hätten ihm drei Engel die Geburt seines Sohnes Isaak prophezeit. Dann erzählt er wie Netanjahu 1998 in seiner ersten Amtszeit als Premierminister nach Hebron gekommen sei und ihnen einen Check angeboten habe zur Entschädigung für die Ermordung eines Siedlers durch einen palästinensischen Terroristen. Der Chefrabbi habe den Check vor Netanjahus Augen zerrissen und gesagt, dass sie kein Schweigegeld bräuchten, sondern die Erlaubnis zum Bauen. Netanjahu habe ihnen daraufhin 24 Stunden Zeit gegeben, was sie bis dahin gebaut bekämen, das sollte bleiben. Seitdem kam nichts Neues mehr hinzu. „Die Linken“, sagt Hochbaum in die Runde, „versuchen zu verhindern, dass unsere Gemeinschaft weiterwächst“. Er selbst kam vor 23 Jahren mit Frau und Kindern direkt von New York nach Hebron, wo er als Rabbi und Führer religiöser Touren tätig wurde. Hochbaum, Ende Vierzig, fein gestutzter Vollbart, weißes Hemd, arbeitet für die Organisation The Hebron Fund. Die 1979 gegründete Organisation mit Sitz in Brooklyn hat es sich zur Aufgabe gemacht, die jüdische Gemeinschaft in Hebron finanziell zu unterstützen. Denn nach jüdischem Glauben sind hier am Grab der Patriarchen (Machpela) die religiösen Erzväter Abraham, Isaak und Jakob begraben, die auch im muslimischen Glauben eine große Rolle spielen. Der obere Teil der Machpela ist deshalb Moschee und Synagoge zugleich.

Die Gruppe steigt wieder in den Bus, fährt weiter die a-Shuhada-Straße hinunter, hält an jeder Siedlung. Kinderspielplätze werden gezeigt, Familien stellen sich vor, stolz wird das Erreichte präsentiert. Dann halten sie vor einem großen Gebäude, das einst ein jüdisches Krankenhaus gewesen war. Heute ist Beit Hadassah ein Museum und das Zuhause einiger Siedlerfamilien. Genau hier begann die Wiederbesiedlung der Altstadt, als Rabbi Mosche Levinger mit seiner Frau und anderen das Gebäude 1979 besetzt hielten und nicht mehr gingen. Das Museum erzählt die Geschichte des Massakers an den Juden von 1929. Unerwähnt bleibt jedoch die Tatsache, dass Hunderte von Juden damals durch ihre palästinensischen Nachbarn vor dem Mob gerettet wurden. Auffallend unerwähnt an diesem Tag bleiben auch die Gewaltakte der Siedler selbst. Überall auf der a-Shuhada-Straße und an den Siedlerwohnblocks sind Tafeln angebracht, die an die Toten palästinensischen Terrors erinnern. Die Siedler verstehen sich als Opfer palästinensischer Gewalt und restriktiver israelischer Politik, die sie am Wachstum hindert. Selbst als ein Tourist auf dem Höhepunkt der Führung in der Synagoge der Machpela wissen will, was es mit dem an betenden Muslimen verübten Massaker Baruch Goldsteins auf sich hat, übergeht Rabbi Simcha die Frage einfach. Sie passt nicht in das Bild der Opferrolle, passt nicht in das Image der religiösen Idylle. Denn es soll bei diesen Führungen nicht nur um eine religiöse Verbundenheit der Diaspora mit Eretz Israel gehen. Es geht auch ums Geld. Spenden, die die jüdische Gemeinde Hebrons von den Religionstouristen braucht: Für Spielplätze, für Anschaffungen, für bedürftige Familien. Mindestens einmal in der Woche organisiert The Hebron Fund deshalb Touren in der Altstadt, in den Sommermonaten sogar mehrmals täglich. 50 Dollar kostet eine Tour, freiwillige Spenden nicht miteingerechnet. Recherchen zu den konkreten Spendeneinnahmen scheitern, da die Gemeinde ausländischen Journalisten gegenüber äußerst misstrauisch ist. Zu viel Kritik hat es schon in der Vergangenheit gehagelt. Den Touristen soll die schöne Seite der Medaille präsentiert werden. Kritik ist unerwünscht.

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Hebron ist so etwas wie der Mikrokosmos der Besatzung des Westjordanlands geworden. Die Stadtentwicklung zeigt die ambivalente Haltung der israelischen Regierung gegenüber den Siedlern. Sie werden einerseits als Problem wahrgenommen, das es zu einzuschränken gilt, andererseits werden sie unterstützt und beschützt. Gerade wurde der Bau einer neuen Siedlung in der Altstadt von Hebron von der Regierung Netanjahus bestätigt. Im Angesicht der aktuellen Spannungen zwischen Israelis und Palästinensern bedeutet das weiter Öl ins Feuer zu gießen.

Text: Boris Messing
Fotos: Boris Messing und Bildagentur Zoonar (Walter Allgöwer, Peter Hermes Furian)

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