Den Kurs bestimmt ganz allein der Wind

Endlich ist alles ist in trockenen Tüchern: Die  winterliche To-Do-Liste mit über hundert Punkten für die  Segelyacht ist abgearbeitet. Die umfangreichen Arbeiten und auch  der  Antifouling-Anstrich des Unterwasserschiffs  der Mahagonie-Segelyacht "Princess", ist gut über die Bühne. "Das wär schon mal geschafft", freut sich der Skipper. "Wer, wie er ein neues altes Holzboot erwirbt, weiß dass es jede Menge zu reparieren, zu verbessern gibt, Details so  zu verändern, bis die persönliche Note an Bord ist"
Bei frühlingshaften Temperaturen, hellblauen Himmel und viel guter Laune bugsiert die routinierte Helferschar die  Segelyacht  vom  Winterlager zum  Sommerliegeplatz an die Schlei nach Brodersby.  Der kleine Seglerhafen hat  alles, was Segler brauchen. Keine Anzeichen von Hektik - kein chaotisch anmutendes Getümmel wie vor Regatta-Beginn - Die  Medaille hat zwei Seiten -  Theatervolk würde sagen: Das Warten auf Godot hat ein Ende - der Start in die Segelsaison ist zum Greifen nah. Aber erst einmal  ist der Eigner ziemlich aufgeregt, geht in Gedanken noch mal  alles durch: "Ist wirklich alles von der winterlichen Reparatur am Unterwasserschiff dicht geworden? Springt der Motor, der im letzten Herbst reichlich Mucken hatte,  wieder an ? Und dann vor allem - geht beim Zu-Wasser-Lassen  alles glatt?" und fügt seiner Gedankensammlung noch bei: Holzbootsegler sind offenbar bekloppt! Noch bis tief in die Nächte  hatte  der Holzboot- Enthusiast die Tage vor dem Zu-Wasser-Lassen am Boot gearbeitet. Allerhand Gedanken und Gefühle düsen ihm jetzt durch Kopf und Bauch - immerhin  ist die Mahagonie-Segelyacht sein erstes großes Holzboot.  Eine Erinnerung kommt hoch - keine gute: Der Skipper  hat schon mal ein Boot aus dem Kran fallen sehen, weil die Gurte gerissen sind.  Sein Stoßgebet: "Jetzt bitte nicht"! Und es fällt auf fruchtbaren Boden -  Sein alter holländischer Segler-Freund, dessen Vater eine Holzbootwerft hatte, taucht unerwartet auf und steht ihm mit Rat und Tat kompetent zur Seite. Die Freude ist groß und der Stress hält sich nun in Grenzen.

Im Schlepp des bulligen Traktors - scherzhaft "unser gelbes Ackermoped" genannt, hat der Trailer mit der "Princess",die Marina Brodersby wohlbehalten erreicht. Der holländischer Freund legt noch letzte Hand am Unterwasserschiff an. Dann kann der Ex-Admirals Cupper von 1964 - heute  eine Kreuzeryacht, Design Sparkman & Stephens mit gutem Gewissen zu Wasser gelassen werden. Endlich - ist es geschafft, die 43-Fuß-Yacht hat wieder Wasser unter dem Kiel. Beim  ersten Maststellen  auf seinem Boot  nimmt der Skipper die Ratschläge zu den Besonderheiten des Holzboots und die  tatkräftige Hilfe vom ehemaligen Eigner gerne an.

Und dann ist es soweit - nach gelungenem Maststellen kann die Crew die Sektkorken knallen lassen.
Kurz darauf lässt der Wind die Takelage knarren, am Bug rauscht die See...  Der erste Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Während der Kieler Woche ersegelten der Skipper mit seiner Familie, als altbewährte Crew,  den 3. Platz bei den Klassikern.

Wenn im Mekka der Segler, an Ost- oder Nordsee, eine klassische Yacht einläuft, recken sich meist mehr Hälse als bei jedem  modernen Typen-Schiff. Die Eleganz der Segel-Veteranen beeindruckt bis heute. Niemand mit Sinn für Schönheit wird sich der Ästhetik aus schlanken Formen und edlen Materialien entziehen können. Um gemeinsame Törns und Regatten, beispielsweise mit der '"Princess"  auf den Traumrevieren,  von der Kieler Woche nach  Seeland bis Kopenhagen, zur Regatta nach  Laboe, mit anschließendem Törn über NOK und Nordsee bis ins Ijsselmeer, durch Amsterdam weiter nach Süd Holland/ Seeland/ Grevelinger Meer mitmachen zu können, braucht es  viel Enthusiasmus. Und noch mehr Arbeit ist  nötig, um  solchen Schmuckstücken jedes Jahr eine erfolgreiche Saison unter Segeln zu ermöglichen. Bei der Gemeinde der Holzboot - Enthusiasten bedeutet das häufig "Segeln pur" - Winschen gibt es nicht an Bord; da misst sich der Mensch mit der Natur im Verhältnis 1:1.

Die Motivation, wie die Skipper zur Segelei gekommen sind, ist unterschiedlich: Bei einigen bestimmen Boote und die Arbeit mit Holz das Leben seit der Kindheit,  einige sind am Meer geboren und vom Leben der See geprägt, bei anderen  hat der Dienst bei der Marine eindeutige Spuren hinterlassen,  und viele stammen aus Segler-Familien - allesamt Enthusiasten, die jede freie Minute, mal mit mal ohne Familie, auf ihren Booten verbringen.  Alte Holzboote bedeuten nicht nur eine andere Art des Segelns, sondern auch eine unbequemere: Die Schiffe sind schmal mit engen  Kajüten, ohne Kühlschrank, und Stehhöhe gibt's unter Deck auch nicht. Nichts Spektakuläres.  Um so wichtiger ist  für die Holzboot- Enthusiasten  natürlich der Austausch von Wissen und Tipps  für Restaurierung und Pflege. Spätestens wenn es heißt "Leinen los", ist die  mühevolle Arbeit und die schwieligen Hände  vergessen.
Eben noch wirkte der Mastenwald an der Hafenspitze wie eine Insel, die  gegen den blitzblauen Nordhimmel sanft im Wind zu schaukeln scheint.  Schon lösen sich die ersten  Mahogoni-Schönheiten von der Kiellinie - Ansegleln für alle -  Ob Klassiker,  alte Yachten, moderne Kunststoffyachten oder Hightech-Rennmaschinen -  den Kurs bestimmt ganz allein der Wind.

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