"Kreativität ist ein menschliches Grundbedürfnis"

„Bananensprayer“ Thomas Baumgärtel im Gespräch
Der wichtigste Graffitikünstler der Republik – „Bananensprayer“ Thomas Baumgärtel im Gespräch.

Wortspiele zum Thema Banane sind dem sympathischen und jungenhaften Mann inzwischen langweilig geworden, so wie die Tatsache, immer wieder darauf reduziert zu werden, dass er als Bananensprayer zu einigem Ruhm gelangte.
Dabei ist die Banane in der Kunst immer mit einem Hauch von Anrüchigkeit und Exotik behaftet, man stellte z.B. gerne im 17.und 18. Jahrhundert „Wilde“ mit Baströckchen und Bananenstauden in den Händen dar. Ein Motiv, das sich auch Wilhelm Busch noch findet. Auch die weltberühmte schwarze Schönheit Josephine Baker spielte in den roaring twenties mit exakt diesem Image.

Bis heute wird die Künstlerin mit ihrem erotischen Bananentanz in Verbindung gebracht, später setzte Andy Warhol die Frucht auf das Cover der Platte der Independantband Velvet Underground, die gemeinsam mit der skandalumwitterten deutschen Sängerin Nico produziert worden war. Auch sie umgaben Erotik und Geheimnis. Woody Allans zweiter Spielfim „Bananas“ dagegen bricht mit Exotik, Erotik und geheimen Sehnsüchten, denn hier geht es um Klamauk erster Güte – Bananas bedeutet im Amerikanischen soviel wie verrückt, verdreht.

Der in Köln lebende Baumgärtel studierte Freie Kunst und Diplom-Psychologie, womit wir schon dem Aspekt des Verrückt-seins wären. Seit vielen Jahren schon ist er, der avantgardistischen Sprayer, in zahlreichen öffentlichen, aber auch unzähligen privaten Sammlungen vertreten.

Denn sein Oevre umfasst inzwischen sehr differenzierte Richtungen, neben Zeichnungen und Druckgrafiken auch Fotocollagen, neben Übermalungen von Fotos auch Übersprühungen von „Alte Meister“-Gemälden und von Objekten.
Besonders intensiv beschäftigt er sich mit der Wandmalerei im öffentlichen Raum, und kommt damit doch ein wenig zu seinen Ursprüngen zurück, in die auch die Aktionskunst anzusiedeln ist.

Mit 23 Jahren kreuzigte er eine Banane während der Zivildienstzeit in einem katholischen Krankenhaus in Rheinsberg, seiner Heimatstadt. Der erste Skandal gleich zu Beginn Baumgärtels künstlerischer Laufbahn Drei Jahre später markierte er zum erstenmal einen Kunstort mit einer Banane – seine „Karriere“ begann. Mit der Spray-Banane wollte er für die Freiheit der Kunst ein Zeichen setzen, was ihm mit durchschlagendem Erfolg gelang.

Nun sprayt er in Heidelberg, und wird im Gegensatz zu seinen Anfängen Mitte der Achtziger Jahre mit Freude empfangen.

F.: Thomas, deine Familie war zunächst nicht sehr begeistert von deinem Entschluss, die Kunst zum Mittelpunkt deines Lebens werden zu lassen. Warum und was hat sich dann geändert?

Meine Eltern machten sich natürlich Sorgen, ob ich von der Kunst leben könne. Aber mit dem Erfolg und einer langsamen gesellschaftlichen Anerkennung akzeptierten sie auch meine Entscheidung.

F.: Ab wann kristallisierte sich für dich dein Interesse an Kunst heraus?

Mit drei Jahren, als eine gelbe Fahne der Mittelpunkt meiner Welt war. In unsere Wohnung hing fast meine ganze Jugend über eine kleine Reproduktion von Georges Seurat "Ein Sonntagnachmittag auf der Insel La Grande Jatte (1884–1886)", die mich wohl sehr geprägt hat. Meine Eltern gingen mit uns Kindern paradoxerweise viel in Museen und zeigten uns die Werke hauptsächlich der Impressionisten, Expressionisten, der Pointillisten und besonders die Werke von van Goch. Zum nahe gelegene Kröller-Müller Museum bei Arnheim fuhren wir sehr oft. Ein grosses Erlebnis war in meiner Jugend, dass mein Vater in ein paar Urlauben wie selbstverständlich einen Ölmalkasten auspackte und sich mit mir - nicht meinen drei anderen Geschwistern(!) - in die freie Natur setzte. Er war Chemiker und konnte ungeübt trotzdem sehr realistisch die Landschaften malen - in meinen Augen ein Wunder! Und ich durfte auch malen und hatte meinen Vater, der sonst sehr viel arbeitet, während dieser Zeit für mich alleine.

F.: Wie bist du auf die Banane gekommen, war es Daffke oder bewußt gewählt?

Die Kreuzigung im katholischen Krankenhaus in Rheinsberg, meiner Heimatstadt, die du schon beschrieben hast, hatte sicherlich etwas "Daffkehaftes". Mich hat diese Aktion damals sehr in meinen Bann gezogen und es war der Auslöser, mich für die Laufbahn eines Künstlers zu entscheiden. Später habe ich diese Aktion oft analysiert - es war folgerichtig und Ausdruck meines damaligen Handelns und Denkens. Ich brauchte keine Religion, keine Kirche - und schon gar keine Kreuz - sondern die Kunst und das Leben!

F.: Warum regt anscheinend gerade die Banane so zu Kreativität an?

Je weniger man vorgibt oder je einfacher die Dinge, desto mehr Ideen kommen von den Leuten. Ich habe in Psychologischer Diagnostik den Rorschachtest auswerten gelernt. Das sind einfache Farbklexe - ein wirkungsvolles Projektionsverfahren. Ausserdem ist Kreativität ein menschliches Grundbedürfnis wie z.B. Bewegung, Essen, Sexualität. Goethe sagte dazu:  „Und solang du das nicht hast, dieses: Stirb und werde! Bist Du nur ein trüber Gast
auf der dunklen Erde.“ Die Banane regt durch ihre Form, Exotik und Farbwandlung zu vielen Assoziationen an. Ihr Mangel - z.B. in der damaligen DDR - regte zu paradiesischen Vorstellungen an, in einem Land (wie der damaligen BRD) zu leben, in dem man an jeder Ecke Bananen kaufen könne. 

F.: Hätte es auch eine andere Frucht sein können, könnte es noch eine sein – wie sehr bist du auf dieses Image festgelegt?

Ich male, zeichne oder sprühe viele andere Früchte, was auch in der Ausstellung auf einigen Bildern zu sehen ist. Und wer weiss was noch kommt...? Festgelegt werde ich höchstens von anderen, die denken, dass ich nur Bananen an Häuserwände sprühe.

F.: Wie befreit man sich von diesen Zwängen?

Man muss die Besucher - notfalls mit der Banane - auch auf meine Werke ohne Banane stossen. Oder ich halte auch Vorträge zu meiner Kunst. Danach kommen viele Leute zu mir, um mir mitzuteilen, wie erstaunt sie seinen, was ich alles sonst noch mache oder gemacht habe. Aber es ist auch die Aufgabe meiner Galeristen und Vermittler diese Zwänge zu beseitigen. Nur leider halten noch über die Hälfte meiner 25 Galerien, mit denen ich zusammen arbeite, selber an diesem Image fest, da es sich denken, es liesse sich besser vermarkten.

F: Wäre etwas anderes als Künstler für dich möglich gewesen?

Ach bestimmt! in der Pupertät fand ich Jim Morrison toll und hätte nichts dagegen gehabt, so geniale Musik vor so grossem Publikum spielen zu können. Um ein Haar hätte ich nach dem Abitur Medizin studiert - wie später wie mein jüngerer Bruder, der heute ein anerkannter Chefarzt ist. Den Beruf des Psychoanalytikers oder des Gruppen-Psychotherapeuten fand ich auch sehr reizvoll. 
 
F.: Regt dich Musik während deiner Arbeit an oder lenkt sie eher ab? Bei ersterem: welche?

Sie lenkt mich eher ab - ich arbeite gerne mit der Ruhe. Ab und zu die Nachrichten sind okay.

F.: Wie spontan bist du - entwickelst du deine Ideen für Wandmalereien z. B. zuerst auf dem Papier und setzt sie dann um oder vielleicht beides und was inspiriert dich dazu?

Ich konstruiere viele Arbeiten vorher. Ausnahmen sind eher die Zusammenarbeiten mit Künstlerkollegen, wie z.B. Thitz und Bastian, mit denen wir schon einige Wände und Großformate ganz spontan realisiert haben.

F.: wie wichtig ist dir Stille?

Geniesse ich sehr! Ende der 80er Jahre habe ich in Indien das Meditieren für mich entdeckt und auch später immer wieder phasenweise praktiziert. Die letzten Jahre ist es sehr zu kurz gekommen bei einem Arbeitspensum von wöchentlich einer Eröffnung im Schnitt.

F.: Woraus schöpft du dein künstlerisches Potential?

Aus dem Alltag, der (Kunst-)Geschichte, meiner Umgebung, manches Mal aus meinen Fantasien und Träumen. Ich habe ein sehr gut sortiertes, grosses Archiv meiner Fotografien und Bildsammlungen.

F.: Bist du ein glücklicher Mensch?
Ja, weil ich das leben konnte und kann, was ich gerne mache und es auch mein Beruf geworden ist (obwohl mein Vater mir immer einbläuen wollte: "Mach dein Hobby nicht zum Beruf!")

Text & Interview: Viola Eigenbrodt
Fotos: Lara Krüper / Archiv Baumgärtel
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