Tierquälerei für einen guten Zweck?

Delfintherapie - Ein Kommentar von Angelika Schmelzer
Tierquälerei für einen guten Zweck?

„Die kleine Elisa braucht Ihre Hilfe!“ – so oder so ähnlich beginnen sie, die Spendenaufrufe, die wir alle aus Tageszeitungen und lokalen Wochenblättern kennen. Elisa, ein schwer geistig, körperlich oder seelisch beeinträchtigter kleiner Blondschopf benötigt dringend eine spezielle Therapie, eine Delfintherapie. Die muss allerdings von den Eltern selbst finanziert werden und nun hofft man auf Spenden mitfühlender Leser, um eine mehrere Tausend Euro teure Behandlung zu finanzieren und zu ermöglichen. Hinter diesen und ähnlichen Artikeln, oft begleitet von anrührenden Bildern kranker, behinderter Kinder verbergen sich erschütternde Schicksale, kleine Menschen mit schweren und schwersten Behinderungen, verzweifelte Eltern, unglückliche Geschwister, Ärzte, die nicht weiter wissen, Therapeuten, die aufgeben mussten, Angehörige, die alle Hoffnung auf Besserung verloren haben. Und dann plötzlich dieser Lichtblick: Delfintherapie!

Wahre Wunderdinge lassen sich über diese außergewöhnliche Heilmethode lesen, von überraschenden Fortschritten, von verbesserter Lebensqualität, von neuem Mut, von Therapieerfolgen, wo jede andere Behandlungsmethode versagte. Doch medizinische Fachleute ebenso wie Tierschützer warnen: Flippers Hilfe hat einen hohen Preis. Und, nüchtern betrachtet, ist die Delfintherapie bestenfalls nutzlos, im schlimmsten Falle sogar gefährlich. Flipper leidet ganz umsonst.

„Tiergestützte Therapie“ ist der Oberbegriff, hinter dem sich ganz unterschiedliche Einsatzgebiete für Hunde, Katzen, Pferde, aber auch Kaninchen oder Lamas verbergen. Die befellten Therapeuten haben erstaunliche Fähigkeiten, wenn es um die Unterstützung und Heilung von chronisch kranken, behinderten oder verhaltensauffälligen kleinen und großen Patienten geht. Längst haben sich deshalb Bello, Mohrle und Fury als wertvolle „Arbeitskollegen“ von Medizinern und Therapeuten etabliert. Eigene Berufszweige, besondere Qualifikationen wurden für die menschlichen Begleiter entwickelt, um diesen Behandlungsansatz auch auf eine solide Basis zu stellen. Der Nutzen, die Erfolge der Tiergestützten Therapien sind für viele Teilbereiche inzwischen gut dokumentiert und unter Fachleuten unbestritten. Unmögliches können Therapietiere auch nicht möglich machen, kleine Wunder aber bewirken sie schon.

Hinter dem wenig fassbaren Begriff „Tiergestützte Therapie“ verbergen sich nicht nur viele Tierarten vom kleinen, wolligen Karnickel bis zum schweren, gutmütigen Kaltblutpferd, sondern auch verschiedene Behandlungsansätze, Hilfen bei ganz unterschiedlichen Erkrankungen und Behinderungen. So unterstützen etwa im Rahmen der Hippotherapie Pferde speziell ausgebildete Krankengymnasten in der Behandlung von körperlichen Beeinträchtigungen, verhelfen beim Heilpädagogischen Reiten und Voltigieren verhaltensauffälligen Kindern zur Entwicklung sinnvoller Verhaltensmuster oder verschaffen psychisch Kranken wertvolle Erfahrungen. Besuchshunde beglücken kranke und alte Menschen in Einrichtungen und motivieren sie zur Aufnahme sinnvoller Aktivitäten, Therapiehunde unterstützen ausgebildete Fachkräfte bei der Therapie von Erkrankungen und Behinderungen und können sogar die Diagnostik bestimmter Krankheiten unterstützen, wenn den Patienten die für eine verbale Anamnese notwendigen sprachlichen Mittel fehlen. Die exotischen Lamas mit ihren Kulleraugen und dem kuschelweichen Fell laden durch ihre freundlich-zurückhaltende Art besonders zur Kontaktaufnahme ein und werden ebenfalls erfolgreich eingesetzt.

Katzen, Kaninchen im therapeutischen Einsatz, Blindenhunde und Therapiepferde, die Einsatzgebiete sind vielfältig, die positiven Wirkungen oft breit gefächert. Zwar lassen sich immer Schwerpunkte und gut definierte Behandlungsziele ausmachen, die Wirkung der Therapietiere auf den Patienten ist oft wesentlich umfassender und tiefgreifender, als es auf den ersten Blick scheint. Während das Therapiepferd sich unter dem Patienten mit beruhigendem Gleichmaß in Gang setzt und dabei seine eigenen Bewegungsimpulse auf das Becken seines kleinen Reiters überträgt, macht es den Patienten mit dem Bewegungsmuster des Laufens vertraut, lockert verkrampfte Muskulatur, fördert die Entwicklung eines dynamischen Gleichgewichtes – alles wertvolle Effekte und wichtige Schritte hin etwa zum selbständigen Gehen. So ganz nebenbei aber sorgt es auch für Erfolgserlebnisse, für Glücksgefühle, stimuliert über seinen typischen Geruch, sein seidenweiches Fell, das rhythmische Klopfen der Hufe die Sinne, fördert durch das gemeinsame Tun mit Therapeuten und Mit-Patienten die sozialen Fähigkeiten, lockt verstörte Seelen aus der Isolation, heilt Körper, Seele und Geist und bringt neue Harmonie. Und was für die Hippotherapie mit speziell ausgebildeten Therapiepferden und qualifizierten Krankengymnasten gilt, lässt sich sinngemäß auch auf andere Therapietiere, andere Behandlungsformen übertragen. Tiergestützte Therapie ist oft eine im besten Wortsinne ganzheitliche Behandlungsform.

Diese Wirkungen sind inzwischen gut erforscht und belegt. So weiß man beispielsweise, dass es beim Streicheln von kuschlig weichem Fell der Hautkontakt beim Patienten zu einer vermehrten Ausschüttung von Oxytocin kommt. Dieses „Kuschelhormon“ wirkt beruhigend und entspannend und ist mit Gefühlen wie Liebe und Vertrauen assoziiert.
Kein Wunder, dass Therapietiere inzwischen fast flächendeckend eingesetzt werden. In Krankenhäusern, Alten – und Pflegeheimen und anderen Einrichtungen kann und will man auf die wertvolle Hilfe bellender, miauender und wiehernder Co-Therapeuten nicht mehr verzichten, die auf körperlicher wie seelischer Ebene neue Behandlungswege eröffnen, verschüttete Zugänge möglich machen, bemerkenswerten Fortschritten den Weg bahnen.

Wenn sich schon mit einer gewöhnlichen Hauskatze, mit Nachbars Lumpi und Fury aus dem örtlichen Reitstall so beeindruckende Ergebnisse erzielen lassen, was mag ein so faszinierendes, hoch intelligentes und kommunikationsfreudiges Tier wie der Delfin erst möglich machen? Auf den ersten Blick erscheint der Einsatz der Meeressäuger mit dem charmanten Dauerlächeln in der tiergestützten Therapie nur konsequent. Es sind allerdings gleich mehrere, schwerwiegende Gründe, die ein ungutes Licht auf diese Form von Therapie werfen.
In der etablierten Tiergestützten Therapie werden ausschließlich Haustiere und Landwirtschaftliche Nutztiere eingesetzt, die schon seit langer Zeit in der Obhut des Menschen leben. Alle Therapietiere sind von klein auf den Umgang mit Menschen gewöhnt, werden speziell für ihr Aufgabengebiet ausgewählt und umfassend ausgebildet. Eine artgerechte Haltung und Erziehung sowie genügend Ausgleich sorgen dafür, dass sie ihrem anstrengenden Beruf lange mit großer Motivation und erhaltener Gesundheit nachgehen können. Ganz anders sieht das Leben der Therapie-Delfine aus.

Delfine sind Wildtiere, die nie domestiziert wurden. Sie lassen sich in Aquarien und Delfinarien nicht artgerecht halten. Experten sind sich einig: Selbst die Unterbringung in abgesperrten Buchten stellt für die Meeresbewohner eine ganz erhebliche Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität dar. Die extrem intelligenten Tiere können in Menschenhand kein normales Sozialverhalten zeigen, sich nicht artgerecht bewegen – sie werden bis zu 55 km/h schnell, tauchen bis 300 m tief und legen im Meer große Strecken zurück – oder jagen. Die erzwungene Untätigkeit in Gefangenschaft, die Gleichförmigkeit ihrer künstlichen Umgebung stellt für die bewegungsfreudigen und aktiven Tiere, deren Intelligenz mindestens der von Primaten gleichkommt, eine lebenslange, ununterbrochene Qual dar. Es ist erwiesen, dass Delfine in Delfinarien und vergleichbaren Einrichtungen durch den mit der Haltung verbundenen Stress erkranken, sie leiden unter Magengeschwüren, Immunschwäche, aber auch unter gravierenden Verhaltensstörungen. Delfinarien stehen deshalb weltweit in der Kritik. Tierschützer und Ozeanologen begrüßen die Tatsache, dass nach und nach immer mehr Delfinarien geschlossen werden – majestätische Orcas, die in badenwannengroßen Becken alberne Kunststücke vorführen, werden hoffentlich bald der Vergangenheit angehören.

Doch die Therapie-Delfine leiden weiter, denn hier geht es nur vordergründig um das Wohl kleiner Patienten – in Wahrheit geht es um Geld, viel Geld. Die Betreiber dieser Anlagen verdienen am Leid der Delfine und an den – völlig unangemessen großen – Hoffnungen und Erwartungen der Eltern kranker und behinderter Kinder.

Die viele Tausende Euro teuren Therapien im Ausland, das unbestritten schwere Los der Therapie-Delfine ließen sich vielleicht noch rechtfertigen, wäre die Delfin-Therapie erfolgreich und den hiesigen, etablierten Behandlungsformen mit konventionelleren Therapietieren weit überlegen – genau das ist aber nicht der Fall. „Endlich kann Kevin wieder lachen!“ – das mag sein und es wäre Kevin und seinen vielen kleinen Mit-Patienten wirklich zu wünschen, aber nach wissenschaftlichen Maßstäben erhobene Statistiken beweisen eindeutig: Die von vielen Eltern wahrgenommenen Therapieerfolge sind schlicht eine Mischung aus Wunschdenken und momentaner Euphorie. Die Urlaubsstimmung an exotischen Orten wie Israel oder Florida, die teure Therapie (was so viel kostet, muss ja einfach auch gut wirken!), der unbestritten faszinierende, beglückende Kontakt mit Delfinen, das alles löst eine hoffnungsvolle und positive Stimmung aus, die allerdings nicht lange anhält. Misst man den Therapieerfolg – oder dessen Ausbleiben – an objektiven Maßstäben, etwa an der Aufmerksamkeitsdauer, dem Muskeltonus, bestimmten Fähigkeiten, so zeigen sich keine statistisch signifikanten Verbesserungen. Es ist also nicht nur so, dass der Delfintherapie bislang jeder Nachweis einer Wirksamkeit fehlt, es ist inzwischen sogar bewiesen, dass sie nicht wirksam ist! Und es ist bewiesen, dass es im Zusammenhang mit der Delfintherapie immer wieder zu schweren Unfällen kommt: Das Wildtier Delfin ist kein Kuschelhase, sondern bringt sogar ausgewachsene Haie mit gezielten Stößen seiner knochenharten Schnauzen zur Strecke. Und lächelt dabei.

Es scheint, als sei die Delfintherapie vor allem eine Nachwirkung der Schwemme unsäglich vermenschlichender Tiersendungen, in denen Fury, Lassie, Flipper und Co. lange Zeit als bessere Menschen, aber auch als wahre Zerrbilder von Tieren dargestellt wurden. Delfine als Therapietiere – darunter leidet nicht nur der intelligente Meeressäuger selbst, es leiden auch die Eltern der kleinen Patienten, die mit großem finanziellem Aufwand unwirksame Therapien finanzieren. Mit Geld, das für viele Jahre eine effektive, tierfreundliche und erwiesen erfolgreiche „normale“ Tiergestützte Therapie mit Bello, Mohrle und Co. ermöglicht hätte. Lasst Flipper endlich frei! Auch der Kinder wegen …


Text: Angelika Schmelzer


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