Geselligkeit unterm Zoiglstern

Bierkult aus der nördlichen Oberpfalz
Geselligkeit unterm Zoiglstern


Bierkult aus der nördlichen Oberpfalz



Der echte „Zoigl“ ist ein Bier und Kultgetränk, das es nur in Bayern und hier wiederum nur in der nördlichen Oberpfalz gibt. Das in einem Kommunbrauhaus hergestellte Bier wurde und wird auch heute noch in einem bestimmten Turnus ausgeschenkt. Ist ein Brauberechtigter gerade am Zuge, dann zeigt er dies an, indem er eine Stange am Giebelfenster seines Hauses hinaushängt. An dieser ist entweder ein Zoiglstern oder ein Fichtenbuschen befestigt. 1661 nannte man dieses Anzeigen in Mitterteich „Pierzaigl“ und im nahen Marktredwitz „Bierzeichel“ oder „Bierreis“. Von diesem Anzeigen hat das Bier auch seinen Namen. Heute wird zwar von vielen Brauerein ein Bier mit Namen „Zoigl“ hergestellt, doch dies hat mit der ursprünglichen Oberpfälzer Zoigltradition nicht viel gemeinsam.

In der nordoberpfälzischen Stadt Mitterteich im Landkreis Tirschenreuth besteht das örtliche Kommunbrauhaus seit nunmehr fast 150 Jahren. In diesem brauen noch heute diejenigen Bürger, die ein Braurecht haben, ihren Haustrunk, der in der örtlichen Umganssprache der „Zoigl“ genannt wird. In der nördlichen Oberpfalz ist das an vielen Häusern verliehene Recht, „Bier zu brauen und zu verleutgeben“ weit verbreitet. Dieses Recht war ein Geschenk des Landesherren an die Eigentümer dieser Bürgerhäuser, die dafür allerdings an den Herrn und die Gemeinden auch Steuern zahlen mussten. Dieses Recht, das fast genauso alt ist wie das Reinheitsgebot, bekamen die Bürger zahlreicher Ortschaften zugesprochen. Im nahen Tirschenreuth zum Beispiel hatten einst 300 Bürger dieses Braurecht. Vor dem Zweiten Weltkrieg schenkten in Mitterteich noch 75 Brauberechtigte ihr selbsthergestelltes Bier aus.

Ungefiltertes, untergähriges Bier

Beim „Zoigl“, das im örtlichen Kommunbrauhaus hergestellt wird, handelt es sich um ein ungefiltertes, untergähriges Bier, das entweder hell oder dunkel ist. Es hat den gleichen Hefeanteil, die gleiche Stammwürze, sowie den gleichen Alkoholgehalt wie das Brauereibier – aber keine Kohlensäure. Dieses Bier wurde früher bei den einzelnen Brauberechtigten gelagert. Noch heute sind zum Beispiel in vielen Häusern Mitterteichs diese Bierkeller vorhanden. Manche sind sogar doppelstöckig, so dass bis zu 38 Stufen hinabführen.

Von den 75 Ortschaften, in denen einst Zoigl gebraut wurde, sind einige wenige übrig geblieben. Kommunbrauhäuser gibt es nur noch in Windischeschenbach, Neuhaus, Eslarn, Mitterteich und Falkenberg.
In Mitterteich schenken noch drei Familien im regelmäßigen Turnus ihren Haustrunk aus und etwa sechs bis sieben Personen brauen für den Privatverbrauch. Viele Familien, die ebenfalls das Recht dazu hätten, haben es mittlerweile aufgegeben, ihr Bier an Gäste zu verkaufen. Die hygienischen Vorschriften, die heute beachtet werden müssen, sind für die meisten unerfüllbar. Denn früher war es nicht selten der Fall, dass der Zoigl einfach in der Wohnstube ausgegeben wurde. Für die Bierherstellung im Kommunbrauhaus ist meist ein Braumeister zuständig, der für alle, die ihr Braurecht ausnützen wollen, das Bier braut. Dafür muss jeder Brauwillige ein sogenanntes Kesselgeld zahlen. Auch für alle weiteren Zutaten muss er selbst sorgen. Pro Sud werden zum Beispiel an die 20 Zentner Braunkohle verheizt.

An den Tagen, an denen der Zoigl ausgeschenkt wird, sind sämtliche Plätze in der jeweiligen Stube belegt. Kein anderes Wirtshaus hat in der Regel so viele Gäste. Bei einer zünftigen Brotzeit lassen sich viele Einheimische und auch Auswärtige den „Wohltrank“ munden. In den letzten Jahren ist rund um den Zoigl ein regelrechter Kult entstanden. Immer mehr Zoiglstuben eröffnen und schenken vor allem das in Brauereien gebraute Zoigl aus. Der Zoigl hat auf Empfindliche manchmal unerwünschte Nachwirkungen auf den Darm. Die Qualität des Bieres ist nicht immer die gleiche, was besonders früher auffiel, als noch mehr Bürger ihren Zoigl ausschenkten. Zu diesen Zeiten war er mal sauer oder bitter oder er wurde zu lange oder zu kurz gelagert. Dies war und ist jedoch kaum von Bedeutung, denn nach dem Genuss der zweiten oder dritten Maß kannte man den Unterschied sowieso nicht mehr. Eines ist jedoch heute noch genauso wie früher, nämlich das besondere Fluidum und die familiäre Stimmung, die man beim Zoiglausschank antrifft und die es in keinem andern Gasthaus in ähnlicher Weise gibt. Wenn dann noch ein Anwesender mit seiner Quetsch’n (Harmonika) aufspielt, dann ist die Zoiglwelt in Ordnung!


Text und Fotos: Walter J. Pilsak

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