Kleine Wunder am Wegesrand

Kleine Wunder am Wegesrand

Alltägliches mit anderen Augen betrachtet


Während der Sommermonate zieht es viele Spaziergänger hinaus in die Natur, um sich an ihrer Pracht zu erfreuen. Viele Menschen gehen jedoch nur achtlos an den vielen kleinen Wundern vorbei, die sich links und rechts des Weges befinden. Achten Sie doch – lieber Leser – bei einem ihrer nächsten Spaziergänge einmal etwas genauer auf die Wegränder. Sie werden erstaunt sein, was es da alles zu entdecken gibt!

Vielfältiges Leben im Gras

Es sind zwar keine sensationellen Sehenswürdigkeiten, doch Wunder im Kleinen sind es allemal, was wir da an den Wegrändern alles finden. Am besten eignet sich bei einem Beobachtungsgang ein Waldweg mit Grasrändern oder ein Feldweg zwischen Ackerrain und Hecke. Es ist erstaunlich, welch vielfältiges Leben sich im Gras abspielt. Vor allem das Reich der Insekten, die allein vier Fünftel der Tierwelt ausmachen, bietet ein reiches Beobachtungsfeld. Dort, wo zwischen Acker und Wiese ein Feldweg beginnt, duftet es nach Sommer. Von der gemähten Wiese zieht der angenehme Heuduft herüber. An den Wegrändern, wo das Gras noch steht, wimmelt es von Blattwanzen, Heuschrecken, Marienkäfer und unzähligen anderen Kleinlebewesen. Man muss nur hinsehen, um sie zu entdecken.

Spinnen und Schmetterlinge - zwei Gegensätze

Schmetterlinge und Spinnen sind – was den Schönheitssinn der meisten Menschen betrifft – grundverschiedene Tiere. Letztere sind bei uns mit zahlreichen Arten vertreten. Es bedarf schon genaueren Hinsehens, wollen wir die Spinnen, die sich meist in einem Schlupfwinkel außerhalb des Netzes aufhalten, entdecken. Die größte und schönste, die es bei uns gibt, ist die in 50 Arten vorkommende Kreuzspinne. Was für ein dramatisches Schauspiel bietet sich uns, wenn sich ein Insekt im Netz verfangen hat und die aus dem Versteck hervorkommende Spinne das wehrlose Opfer vor dem Verzehr fesselt.

Einen „freundlicheren“ Eindruck machen da schon die Schmetterlinge und Falter. Der bekannteste Schmetterling ist das Tagpfauenauge. Ihn entdeckt man allerdings in unseren Tagen auch nicht mehr allzu oft. Schöne Farben weist auch der Distelfalter auf. Eine einzigartige Erscheinung ist der Trauermantel mit seiner rötlichschwarzbraunen Färbung, den gelbweißen Flügelrändern und den blauen Punkten. Häufig sind in manchen Jahren der Kohlweißling und der Zitronenfalter.

Wenn uns der Weg an einem Gewässer vorbeiführt, werden wir auch prachtvolle Libellen entdecken. In das Gequake der Frösche, das wir hören, mischt sich vielleicht das „Kerre kerre kiek“ der Rohrdrossel, die ihren Brutplatz im ufernahen Schilf hat.

Betrachten wir die Wasseroberfläche genauer, entdecken wir auch die Wasserläufer. Diese Insekten gehen auf ihr regelrecht spazieren. Wie blinkende Edelsteine sehen die Prachtlibellen aus, die wie trunken am Ufer umhertorkeln. An einem Schilfhalm hat sich ein Pärchen der Mosaikjungfer zu einem Paarungsrad zusammengetan. Kommt dann ein leichter Wind auf, bilden sich auf der leicht bewegten Wasseroberfläche tausende von Lichtreflexen.

Waldgeister am Wegesrand

Auch die vielen Arten von Gräsern, von denen es 40.000 verschiedene gibt, und die unter allen Gewächsen den größten Teil der Erdoberfläche bedecken, sind ein näheres Betrachten wert. Eventuell entdecken wir im nahen Wald auch einen Ameisenhaufen der roten Waldameise. Hier herrscht ein geschäftiges eifriges Treiben. Hat ein Sturm vielleicht Bäume entwurzelt, bieten dessen Wurzeln einen skurrilen Anblick. Bei Nebel sehen sie mit ihren abstehenden Armen aus wie Waldgeister. Auch mit Moos bewachsene Baumstümpfe sind ein näheres Betrachten wert. Wer auf Pilze Ausschau hält, hat an den Wegrändern oft mehr Sammlerglück, als mitten im Wald. Ja selbst mitten auf den Wegen, vor allem wenn sie mit Gras bewachsen sind, kann man diese bunten Märchengestalten finden. Zu ihnen gehören Wieseltäubling, Butterpilz und auch verschiedene Becherlinge.

Leben im düsteren Fichtenwald

Auch der etwas düster erscheinende Fichtenwald ist voller Leben, das wir nur sehen müssen! Wege, Pfade und Lichtungen sind hier bedeutende Biotope. Hier herrscht oft eine große Artenvielfalt. In diesen baumfreien Zonen, in denen das volle Sonnenlicht auf den Untergrund trifft, kann sich eine artenreiche Flora entwickeln. Zahlreiche dieser Pflanzen stellen für Schmetterlinge und andere Insekten eine wichtige Nahrungsquelle dar. Das gleiche gilt für Wege und Raine zwischen den Feldern, die oft nur noch eintönige Wüsten sind. Wegränder sind somit für viele Kleinlebewesen und Insekten ein idealer Lebensraum. Achten Sie mal darauf, ob sie irgendwo an einem Pflanzenstängel Blattläuse entdecken. Diese scheiden einen zuckerhaltigen Kot aus, was sich die Ameisen wiederum zunutze machen. Für diese ist er eine wertvolle Nahrung.

Im Fichtenwald kann es sein, dass wir auch ein Eichhörnchen entdecken. Dieses weis, ebenfalls wie der Fichtenkreuzschnabel, die ölhaltigen Zapfensamen zu schätzen. Flinke Meisen turnen im Geäst herum, während Bussard und Hühnerhabicht über uns ihre Kreise ziehen. Sind wir dann auf dem Heimweg oder auf dem Weg zum Parkplatz, wo wir unseren fahrbaren Untersatz abgestellt haben, hören wir vielleicht von weitem noch das Trommeln des Spechts.

Text und Fotos: Walter J. Pilsak