Miss Elizabeth Hawley - die Legende Kathmandus

Ein Hauch von Strenge und Ordnung in der chaotischen Hauptstadt Nepals

Von Sabine Wiegand

In Kathmandu ist der blaue alte Käfer bekannt. Während der „Bergsteigersaison fährt er fast täglich durch die Straßen der quirligen Stadt. Darin sitzt eine etwas ältere, sehr zerbrechlich wirkende Dame.

Die elegante Lady ist Elizabeth Hawley, Chronistin des Bergsteigens im Himalaja. Jeder Expeditionsleiter, der mit seinem Team nach Kathmandu kommt, wird von der amerikanischen Journalistin befragt. Damit ihr kein Bergsteiger entgeht, hat sie in Kathmandu, der Hauptstadt Nepals, ein Netzwerk zwischen Agenturen, Hotels und dem Tourismusministerium aufgebaut. Eine Expedition wird angemeldet und schon parkt ihr blauer VW Käfer vor den Hotels der Neuankömmlinge. Das Auto ist ihr Markenzeichen (obwohl sie dieses mittlerweile nicht mehr selbst durch die Straßen lenkt) - genauso wie ihre streng geschnittenen Kostüme und Kleider, ihr roter Lippenstift, die Brille auf der Nasenspitze und das Klemmbrett mit dem berüchtigten Fragebogen: Wie waren Zeitplan und Route? Wie hießen die als Träger beteiligten Sherpas? Wie viele Camps waren aufgebaut? Waren andere Teams da? Was sah man vom Gipfel aus?
Jedes noch so kleine Detail ist wichtig, vor allem wenn es wegen eingefrorener Kameras, Nebel oder Nacht keine Beweisfotos gibt. Vor ihr gab es eine solch akribische Dokumentation nicht. Hawley verlangt den Bergsteigern all jene Daten und Informationen ab, um genau berichten zu können, wenn wieder ein Gipfel bestiegen oder wenn jemand am Berg ums Leben gekommen ist.

Obwohl Miss Hawley selbst nie einen Fuß auf einen Berg setzte, hat sie auf diese Weise mit ihren Fragen schon den einen oder anderen Bergsteiger ins Schwitzen gebracht. Die 87-Jährige lebt seit über 50 Jahren in der nepalesischen Hauptstadt und kennt jeden Berg, jede Route — aus zahlreichen Berichten, Fotos und Filmaufnahmen.

Hawley hat nicht immer in Kathmandu gelebt. Die gebürtige Amerikanerin kam kam am 9. November 1923 in Chicago als zweites Kind einer Unternehmerfamilie zur Welt. Sie studierte Geschichte an der Universität von Michigan, arbeitete von 1946 an zehn Jahre lang als Dokumentarin beim Wirtschaftsmagazin „Fortune“ im Time-Verlag.

Aber vor allem bereiste sie die Welt, damals, zu einer Zeit, als das für alleinstehende Frauen noch alles andere als selbstverständlich war. Mitte der 50er Jahre, war es die damals 34-Jährige leid, die Welt nur zu katalogisieren. Und sie durchbrach die damals geltende Rollenverteilung zwischen Hausfrau und Mann von Welt: monatelang aß sie nur selbst geschmierte Brote, sparte das Geld und brach 1957 auf, die Welt selbst zu erfahren. Überall, in Wien, Finnland oder Warschau, in Istanbul, Kairo oder Bagdad, wunderte man sich über die alleinreisende junge Fremde.

Im Jahr 1959 war Hawley in Südasien unterwegs, besuchte Nepal – und es war um sie geschehen.

(..) Text an dieser Stelle gekürzt


Miss Hawley ist legendär und hat einen großen Namen in den Bergsteigerkreisen erlangt. Berühmt geworden ist der Ausspruch des kasachische Kletterer Anatolij Bukrejew. Hawley wies ihm nach, dass er an einem Achttausender im Nebel, statt des Gipfels nur einen Nebengipfel erreicht hatte. „Ich muss noch mal hin, Elizabeth sagt, ich sei nicht oben gewesen“, soll Bukrejew gesagt haben. Tragisch ist Hawleys letzter Eintrag in Bukrejews Akte: er kam am 25. Dezember 1997 an der Annapurna in einer Lawine ums Leben.

Die Bergexpeditionen sind in den letzten Jahren immer mehr geworden. Seitdem man sich in Reisekatalogen "Everest für jedermann" kaufen kann, hat sich der Wettkampf um Rekorde verschärft. Denn neuerdings kann jeder den Mount Everest in Form einer Gruppereise besteigen; solange er nur genügend Geld dafür bezahlt.

„Sicherheit und Erfolg am Berg ist nicht 100%ig organisierbar“, so Bergsteiger Wiegand. Auch Elizabeth Hawley sieht die neusten Entwicklungen mit Sorge. Denn der Everest ist kein Gebirge für Jedermann. Alleine für Nepal hat die Chronistin 794 tödliche Unfälle bis zum Jahr 2005 verzeichnet, wobei hier Verunglückte von Trekkinggruppen nicht einmal mitgerechnet sind. Von diesen 794 Menschen sind 274 von Lawinen getötet worden, 263 sind abgestürzt. Die anderen sind durch verschiedene Ursachen wie Höhenkrankheit, Erschöpfung, Erfrieren, Spaltenstürze, Steinschlag und mehr ums Leben gekommen.

„Richtig oben gewesen auf den höchsten Bergen der Welt, sind nur diejenigen Bergsteiger, die ohne den Gebrauch von Flaschensauerstoff auf dem Gipfel waren“, so Wiegand. Die sächsischen Seilschaften erklimmen die Berge außerdem ohne die Unterstützung durch Hochträger ab dem Basecamp.

Doch nicht jeder Bergfan kann oder will diesen Ansprüchen gerecht werden. Und so gibt es heute viele, die sich per Helikopter einfliegen lassen, an Fixseilen gehen und natürlich auch zusätzlichen Sauerstoff benutzen. Der Sachse Wiegand lehnt den Flaschensauerstoff kategorisch ab. „Wer die Achttausender erklimmen will, der sollte dies fair tun – fair zu sich selbst und seiner eigenen Leistungsfähigkeit. Wer das nicht ohne zusätzlichen Sauerstoff kann, der muß akzeptieren, dass seine Gipfelleistung in Bergsteigerkreisen nicht anerkannt wird.“

(..) Text an dieser Stelle gekürzt


Mittlerweile ist ihr Wissen um die Berge, die Routen und die Gefahren so umfassend, dass sich sogar erfahrene Bergsteiger Rat bei der Chronistin holen. Auch Götz Wiegand meint: „Sie ist immer eine Hilfe für uns, weil sie stets weiß, wer was wo und wann macht, sie kannte eben alle, bis hin zu den Sherpas.“

Nach dem morgendlichen Gespräch mit Miss Hawley tritt Götz Wiegand auf die Straßen Kathmandus hinaus und der blaue Käfer verschwindet hinter der nächsten Ecke.

Eng stehen die Häuser hier; kleine Tempel und Stupas, bunte Fahnen und Räucherstäbchen finden sich überall in Kathmandus Innenstadt. Plätze und Gassen sind voller Menschen, Fahrräder, Rikschas, Motorrollern und kleinen Taxis. Hupend fahren sie eng am Menschengetümmel vorbei. Die touristischen Highlights der Stadt, die große Stupa Bodhath und der Verbrennungsplatz Pashupatinath sind überfüllt. Dennoch ist die Stimmung hier speziell. Das morgendliche Licht lässt die vielen kleinen Läden überall noch bunter als sonst erstrahlen. Und trotz ihrer Armut sind die meisten Menschen hier sehr fröhlich und freundlich.

Sie versuchen alles was sie haben und alles was sie herstellen an die vielen Touristen, die hier vornehmlich im Frühjahr und Herbst einfallen, zu verkaufen. Kathmandu ist wunderbar chaotisch; aber nachdem Wiegand zusammen mit der Chronistin des Himalaya gerade schon gedanklich in die Welt der hohen Berge eingetaucht ist, verschwindet der Bergsteiger lieber erst einmal in sein bevorzugtes Restaurant und bestellt eine nepalesische Nudelsuppe mit Momos (gefüllte Teigtaschen) und denkt über seine bevorstehende Expedition nach – abgesegnet von Miss Hawley, der Legende Kathmandus - gefürchtet und geliebt zugleich.

„Niemand weiß mehr über das Bergsteigen im Himalaya als sie." (Edmund Hillary)

Für die Fortführung der Arbeit hat sie schon zwei Fachfrauen im Blick. „Aber ich bin ja noch da und könnte das noch gut und gern ein paar Jahre machen“, sagt sie und blickt gar nicht versonnen über den Rand der Lesebrille.

Infokästen und Zusatzinformationen

Reisetip:
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Hoteltips in Kathmandu/ im Touristenviertel Thamel:
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Touristische Attraktionen:
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HINWEISE: Kompletter Reportagetext und weitere Fotos liegen vor und sind lieferbar!

Text und Fotos: Sabine Wiegand