Risiken minimieren, den guten Ruf wahren

Risiken minimieren, den guten Ruf wahren

Compliance-Strategien schützen, regulieren und effektivieren

Herr Professor Schulz, Sie unterrichten an der German Graduate School of Management and Law (GGS) in Heilbronn unter anderem Privat- und Unternehmensrecht und organisieren Fortbildungsveranstaltungen zum Thema Compliance. Was ist Compliance überhaupt?

Prof. Schulz: Aktuelle Untersuchungen belegen, dass Compliance ein Topthema in deutschen Unternehmen ist. Compliance steht zunächst für Regelkonformität, also die Einhaltung aller für das Unternehmen relevanten Vorschriften. Der Begriff wird allerdings inzwischen wesentlich weiter verstanden und umfasst ein System zur Beachtung und Einhaltung sämtlicher unternehmensrelevanter Gesetze und Richtlinien, einer darauf abgestimmten Überwachung sowie Maßnahmen bei Verstößen – Stichwort „Compliance Management“.

Welchen internen bzw. externen „Bedrohungen“ sind Unternehmen ausgesetzt und wie kann eine Compliance- Strategie dabei helfen, diese bereits im Vorfeld zu erkennen?

Prof. Schulz: Recht wird immer vielfältiger und komplexer und macht nicht an nationalen Grenzen Halt. Insbesondere mittelständische Unternehmen, die häufig stark exportorientiert wirtschaften, sind mit einer Vielzahl von Rechtsvorschriften aus dem In- und Ausland konfrontiert. Gleichzeitig verfügen nur wenige dieser Unternehmen über eine eigene Rechtsabteilung oder sonstige juristische Expertise. Damit steigt die Gefahr von Rechtsverstößen, was für jedes Unternehmen schwerwiegende Nachteile haben kann.

Welche Konsequenzen kann ein aufgedeckter Rechtsverstoß nach sich ziehen?

Prof. Schulz: Die Konsequenzen reichen von der Unwirksamkeit von Verträgen über den Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge bis hin zu Strafen, Geldbußen und Schadensersatzrisiken für das Unternehmen sowie seiner Manager und Mitarbeiter. Mindestens ebenso gravierend ist der potenzielle Imageschaden und Reputationsverlust.

Welche Schritte erfordert die Installation eines wirksamen Compliance- Managements?

Prof. Schulz: Die notwendigen Bestandteile hängen natürlich von den jeweiligen Besonderheiten des Unternehmens ab, also etwa von Branche, Geschäftsmodell, Anzahl und Art der Mitarbeiter oder Vertriebsstruktur. Dennoch haben sich branchenübergreifend bestimmte Grundelemente eines wirksamen Compliance- Management-Systems herausgebildet. Diese umfassen neben einer Identifikation und Analyse der für das Unternehmen relevanten Vorschriften zunächst die Verantwortung der Unternehmensleitung: Das Top-Management sollte authentisch und unmissverständlich klar machen, dass die Einhaltung des Rechts an oberster Stelle steht und Rechtsverstöße im Unternehmen nicht geduldet, sondern verfolgt und bestraft werden. Wichtig dabei ist auch die umfassende Information und kontinuierliche Schulung der Mitarbeiter – die meisten Regelverstöße resultieren schließlich aus der Unkenntnis einschlägiger Vorschriften.

Welche Vorteile ergeben sich für mittelständische Unternehmen durch die Einführung eines Compliance-Management- Systems (Abk.: CMS)?

Prof. Schulz: Die Einführung eines CMS belegt, dass die Unternehmensleitung ihre Verantwortung für Compliance ernst nimmt – der gute Ruf des Unternehmens, der meist mühevoll und langjährig aufgebaut wurde, kann nämlich leider durch einen Compliance-Fall schnell zerstört werden. Für die Gestaltung von CMS bieten Standards wie der IDW PS 980 oder TR CMS 101:2011 (TÜV Rheinland) Orientierungshilfe. Allerdings muss letzten Endes die Unternehmensleitung sicherstellen, dass das CMS funktioniert. Wegen dynamischer Änderungen des Umfelds von Unternehmen muss ein CMS immer wieder überprüft und an geänderte Umstände angepasst werden. Ferner leistet ein wirksames Compliance-Management einen wichtigen Beitrag zu Qualitätssicherung und Innovation – schließlich beruht jedes Geschäftsmodell auf der Prämisse, dass es rechtskonform ist. Zu den Anforderungen an ein wirksames Compliance Management im Mittelstand entwickelt die GGS in Heilbronn derzeit ein Fortbildungsprogramm, das sich gezielt an Unternehmer und Führungskräfte richtet.

Welche Auswirkungen hat das (geplante) Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA für die vielen „Exportweltmeister“ in Deutschland – müssen diese eventuell dann ihre Compliance- Strategien neu ausrichten?

Prof. Schulz: Andere rechtliche Rahmenbedingungen im Ausland können für exportierende Unternehmen einen erheblichen Mehraufwand bedeuten, wenn sie zusätzlich den im jeweiligen Exportland geltenden Normen und Kennzeichnungspflichten Rechnung tragen müssen. Die Verhandlungen zu einem Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU zielen daher (neben der Abschaffung klassischer Einfuhrzölle) insbesondere auf eine verstärkte Angleichung von Rechtsvorschriften und -standards. Es ist zu erwarten, dass das geplante Freihandelsabkommen die rechtlichen Anforderungen für Exportunternehmen erleichtern und insofern eine gewisse Lockerung von Compliance-Strategien erlauben wird.

Das Thema Datenschutz ist durch aktuelle Abhörskandale in aller Munde. Schützt eine ausgeklügelte Compliance- Strategie vor Industriespionage?

Prof. Schulz: Einen absoluten Schutz vor den unterschiedlichen Ausprägungen krimineller Energie kann auch eine Compliance- Strategie bzw. ein CMS nicht bieten. Jedoch führt eine Compliance-Strategie zu einer erhöhten Sensibilisierung von Unternehmensleitung und Mitarbeitern für die Bedeutung des Rechts und für die Risiken von Rechtsverstößen.

Herr Prof. Schulz, wir danken Ihnen für das Gespräch. Die Fragen stellte Andreas Scholz.

Infokasten Prof. Dr. jur. Martin Schulz

Zum Autor: Prof. Dr. jur. Martin Schulz, LL.M. (Yale), seit 2009 Professor für deutsches und internationales Privatund Unternehmensrecht an der German Graduate School of Management and Law (GGS) in Heilbronn.

Tätigkeit: Martin Schulz ist ein Experte für Privat- und Unternehmensrecht, Managerhaftung, Recht und Compliance im Unternehmen sowie Wissensmanagement für Juristen. Sein Wissen gibt er in Vorlesungen und Fortbildungsveranstaltungen an der GGS weiter.

Nebentätigkeiten: Neben seiner Lehr- und Forschungstätigkeit ist Martin Schulz als Rechtsanwalt in Frankfurt am Main tätig.

Text: Andreas Scholz
Fotos: GGS Heilbronn, Bildagentur Zoonar (DOCmedia, Fotoscool)