Bezahlbaren Wohnraum schaffen

Nachhaltige Stadtentwicklung
Bezahlbaren Wohnraum schaffen
In den 1960er Jahren war die Suburbanisierung mit Eigenheim in ländlicher Umgebung in vollem Gange. Heute erfahren Städte eine regelrechte „Renaissance“. Vor allem junge Menschen zieht es zurück in die Innenstädte. Dort ist bezahlbarer Wohnraum allerdings oft knapp.

„Städte und Politiker haben es in den vergangenen Jahren versäumt, mehr bezahlbaren Wohnraum auch für einkommensschwache und randständige Personengruppen einzuplanen“, moniert Prof. Dr. Tilman Harlander. Der Stadtsoziologe beschäftigt sich intensiv mit den sozialen, ökologischen und ökonomischen Strukturen von Städten und Gemeinden. In dem gemeinsam mit Gerd Kuhn und der Wüstenrot Stiftung herausgegebenen Buch „Soziale Mischung in der Stadt“ untersucht Tilman Harlander die Herausforderungen, die von den aktuellen Entwicklungen auf den Wohnungsmärkten ausgehen und unsere Chancen, weiterhin an der Tradition und dem Leitbild sozial und nutzungsgemischter Städte festzuhalten. Aktuelle Stellungnahmen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zum steigenden Armutsrisiko im reichen Deutschland bestätigen den Stadtsoziologen in seinen Forschungsergebnissen. „Die zunehmende Kluft zwischen Arm und Reich gefährdet den sozialen Frieden in Kommunen“, so Tilman Harlander.

Der Stadtsoziologe fordert daher bei der Neuschaffung von Baurecht Förderquoten für bezahlbare Wohnräume und ein Umdenken in der Kommunalpolitik, um problematische Effekte wie Ghettoisierung, Gentrifizierung oder „Gated Communities“ gering zu halten. Es gehe darum, das altbekannte Phänomen der sozialen Abgrenzung, das gegenwärtig auch in Deutschland in zahlreichen Bauprojekten an Bedeutung gewinnt, kritisch zu durchleuchten. „Für eine nachhaltige Stadtentwicklung ist es nie gut, wenn sich besserverdienende Gesellschaftsschichten in mehr oder weniger „geschlossenen“ Wohnkomplexen vor dem restlichen Teil der Stadtbevölkerung abschirmen“, sagt der Stadtsoziologe. Gleichzeitig würden in vielen deutschen Städten immer mehr Arme, Alte, Arbeitslose oder Hartz IV-Empfänger aus den Innenstädten verdrängt.

Fokus auf die Innenstädte
Da sich speziell die Bildungsinfrastruktur wieder vermehrt auf die Kernstadt konzentriert, fehlt den einkommensschwachen Bevölkerungsschichten im Umland trotz Internet der schnelle Zugriff auf Angebote, die wichtig für eine gesellschaftliche Teilhabe/Vernetzung sind. „Wir werden auch in Zukunft noch Industriebetriebe haben, die die Standortvorteile des ländlichen Raums wie zum Beispiel die Flächenverfügbarkeit nutzen“, so Tilman Harlander. „Aber Städte entwickeln sich dank der Digitalisierung verstärkt zu Dienstleistungszentren, in denen Bildung und Wissenstransfer eine wichtige Rolle bei der Generierung von Wachstumsimpulsen und Innovationen spielen“, ergänzt der Stadtsoziologe.

Der Wissenschaftler begrüßt daher den Um- und Ausbau von Städten wie Heilbronn zur „Wissensstadt“. Die Stadt Heilbronn biete außerdem im Gegensatz zu vielen anderen der 100 einwohnerstärksten Städte im Bundesgebiet noch ausreichend bezahlbaren Wohnraum.
Laut einer destatis-Statistik in der Bertelsmann-Studie „Wohnungsangebot für arme Familien in Großstädten“ fällt die Mietbelastung für arme Familien in Heilbronn mit 530 Euro (Stand: 2011) im Vergleich zum Bundesschnitt sehr niedrig aus. Mit 994 Euro fast doppelt so hoch ist die Mietbelastung für arme Familien in München. Ebenfalls weit über dem Bundesdurchschnitt liegt die Großstadt Heilbronn beim verfügbaren Budget nach Abzug der Mietkosten. So blieben in Heilbronn im Jahr 2011 einer Familie zirka 1941 Euro „Haushaltsgeld“, in Mannheim dagegen waren es beispielsweise zu einem vergleichbaren Zeitpunkt lediglich 906 Euro.

Soziale Kluft verringern
Trotz dieser erfreulichen Zahlen dürfe sich eine Großstadt wie Heilbronn nicht ausruhen. Es bedürfe einer Vielzahl an flankierenden Maßnahmen, um die Wohnsituation und die Lebensbedingungen sowohl der Menschen in den Großstädten als auch im ländlichen Raum kontinuierlich zu verbessern. „Der Leerstand von Ladengeschäften ist in den Städten der Wachstumsregionen erfahrungsgemäß meistens gering, aber bereits im Umland zeichnen sich die Folgen des demografischen Wandels deutlich ab“, erklärt Tilman Harlander. Der ländliche Raum müsse sich daher auf seine Stärken besinnen. „Ehrenamtliche Fahrgemeinschaften, rollende Dienstleistungen aller Art oder Transportangebote könnten dazu beitragen, den Anschluss an die wirtschaftsstarken Ballungsräume herzustellen bzw. die medizinische Grundversorgung vor Ort unterstützen“, berichtet der Stadtsoziologe beispielhaft. Auch Tafelläden oder Sozialarbeit seien flächendeckend zu empfehlen – nicht nur in der Stadt, sondern auch auf dem Land.

Darüber hinaus sollte man sich nicht allein auf die in einer wachsenden Zahl von Kommunen lancierte Förderquote von mindestens 20 Prozent bezahlbaren Wohnraums verlassen. So könnten sich beispielsweise auch Baugemeinschaften und Baugenossenschaften als nachhaltige Ergänzung zum Wohnungsmarkt privater Wohnungsbaugesellschaften entwickeln. Zukünftig werden unter anderem Mehrgenerationenhäuser oder altersgerechte Demenz-Wohngemeinschaften das Stadtbild nachhaltig verändern. „Die soziale Mischung in der Stadt wird dadurch positiv beeinflusst“, betont Tilman Harlander.

Text: Andreas Scholz

Zur Person
Der Stadtsoziologe Professor Tilman Harlander (68) leitete 15 Jahre lang das Fachgebiet Architektur- und Wohnsoziologie am Institut für Wohnen und Entwerfen der Universität Stuttgart und ist nach seiner Emeritierung als Buchautor und Referent aktiv.

Buchtipp
Soziale Mischung in der Stadt – Case Studies – Wohnungspolitik in Europa – Historische Analyse
Tilman Harlander Gerd Kuhn und Wüstenrot Stiftung (Herausgeber), kraemerverlag, Stuttgart, ISBN: 978-3-7828-1539-0

Text: Andreas Scholz
Fotos: Andreas Scholz, Bildagentur Zoonar

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HINWEIS: Zu diesem Artikel gibt es ein passendes Interview. Sie finden es hier: Interview zum Thema nachhaltige Stadtentwicklung und bezahlbarer Wohnraum

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