Besenwirtschaften - Orte der Geselligkeit

Besenwirtschaften - Orte der Geselligkeit

A Viertele im Besen schlotzen und die Welt ist wieder in Ordnung – so sehen das viele Weinliebhaber in der Region Heilbronn-Franken. Besenwirtschaften, die zum Viertele bzw. Weinschorle kleine Speisen reichen, besitzen eine lange Tradition und haben während des Kalenderjahres nur gelegentlich geöffnet. Eingefleischte Besengänger studieren ausgiebig die Öffnungszeiten im aktuellen Besenkalender der lokalen Zeitung.

Im Besen gemütlich ein Viertele schlotzen

In der Region Heilbronn-Franken, die schwäbischen Dichtern wie Friedrich Schiller oder Justinus Kerner mit eigenen Weinsorten huldigt, gibt es sie noch reichlich – die traditionellen Besenwirtschaften, in denen das Weinschorle besonders gut mundet. So manch gesellige Besen-Runde löst sich erst um Mitternacht nach dem finalen „Obstwässerle“ auf.

Rosé, Rotwein und Weißwein vom Fass oder doch lieber ein alkoholfreies Traubenschorle – das ist im „Besen“ stets die Frage. Denn Vorsicht auf dem Heimweg nach ein bis zwei Viertele ist stets geboten – schließlich kennen die lokalen Polizeistreifen rund um die Besenwirtschaften zwischen Zabergäu, Heilbronner Land und Hohenlohe längst jedes angeblich geheime „Promillesträßle“.

It's Besentime im Weinberg

Besen geöffnet: die Freude bei Liebhabern deftiger Hausmannskost und Anhängern edler Tropfen ist jedes Mal groß, wenn sie abseits der Durchgangsstraßen einen Reisigbesen oder Strauß sehen – oder den Besenkalender in der lokalen Tageszeitung entdecken. Nach altem Brauch wird am Straßenrand bzw. direkt vor der Tür ein Reisigbesen befestigt bzw. die Triebe einer Rebe nach unten gebogen und am Stamm zu einem Bündel fest gezurrt. Besen-, Hecken- oder Straußwirtschaften haben eine lange Tradition. Regional sind außerdem noch die Begriffe Rädlewirtschaft (Bodenseeregion) und Häckerwirtschaft (Franken) verbreitet. Besenstuben, die Apfelmost ausschenken, werden im Schwäbischen übrigens als Mostbesen bezeichnet.

Besenwirtschaften öffnen nur zu bestimmten Zeiten im Jahr und dann auch nur kurz – maximal zweimal zwei Monate im Jahr. Durch die Besenwirtschaft verdienen sich Winzer oft ein nettes „Zubrot“ – der selbst erzeugte Wein wird direkt vermarktet und dazu einfache und deftige Gerichte gereicht. Oft hilft die gesamte Familie beim Ausschank mit – neben Vater, Mutter, Tochter und Sohn auch die Großmutter oder der musikalisch begabte Schwager. Schließlich lässt sich durch die Ziehharmonika die ohnehin schon gute Stimmung in der weinseligen Besenrunde noch weiter anheizen (und der Umsatz steigern).

Manche Winzer reichen im Besen nicht nur hauseigenen Wein, sondern sind obendrein zertifizierte Weinkultur-Führer – so kann der Weinlehrpfad im Weinberg interessierten Besuchern erklärt werden.

Wein, Vesper und Gesang

Wer eine Besenwirtschaft betritt, braucht nur drei Dinge, um glücklich zu sein: ein deftiges Essen, einen leckeren Tropfen und fröhliche Musik(er). Oder anders ausgedrückt: in vino veritas – im Wein liegt die Wahrheit und der Besen ist der Hort der guten Laune.

Dabei spielt es keine Rolle, ob der Besen mit urigen Holztischen ausgerüstet ist, auf denen man/frau schon nach dem zweiten Viertele die Zeit vergisst – oder es sich nur um die provisorisch umgebaute Scheune mit einfachen Sitzbänken handelt: eine gemütliche „Hocketse“ ist stets garantiert.

Schnell sind Kontakte geknüpft – es kommt auch manchmal vor, dass bei einer launigen Weinrunde „fruchtbare“ Geschäftsbeziehungen entstehen. Früher war die Dorfschänke wie selbstverständlich der traditionelle Treffpunkt, um Geschäfte zu machen. Kleiner Tipp für den Erstbesuch im Besen: verfängliche Gesprächsthemen wie Politik und Religion gelten als Gute-Laune-Killer und sind daher tabu.

Farbenzauber im Herbst

Am schönsten fällt der Besenbesuch im Goldenen Oktober aus. Vor allem dann, wenn die Besenwirtschaft – was meistens der Fall ist – von Weinbergen umgeben ist. So locken die farbenprächtigen Weinberge im Zabergäu – der größten Rotweinlandschaft Deutschlands – nach einem Besenbesuch zu einem ausgedehnten Spaziergang ein. Die Besen in den Weinorten im Heilbronner Raum – oft idyllisch an der Württemberger Weinstraße gelegen – sind in den Herbsttagen ebenso gut besucht.

Auch die Weinkulturen im Öhringer Raum umgarnen den eingefleischten Besengänger mit milder Herbstsonne – die Weinanbaugebiete bei Öhringen zählen nicht umsonst zu den wärmsten Ecken in Baden-Württemberg. In den Löwensteiner Bergen und in den lieblichen Weinhängen bei Mulfingen im Jagsttal wird der Besenfan im Herbst ebenfalls mit reichlich Sonne am Himmel und Genuss im Glas verwöhnt.

Liebliche Getränke, deftige Speisen

Gesundes Traubensaftschorle, frischer Federweißer, leckeres Schorle rot-süß und Schorle weiß-sauer, feuriges Obstwässerle oder milder Beerenlikör – die Getränkeauswahl im Besen ist groß. Einfach, deftig, aber preiswert – so liest sich die Speisekarte in der Besenwirtschaft. Im Pfälzer Raum gibt es in der Straußwirtschaft den obligatorischen Pfälzer Saumagen – das Leibgericht des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl.

Dagegen gibt es neben der Maultasche in allen möglichen Variationen im schwäbischen Besen eher Schlachtplatte mit Blut-/Leberwurst, Salzfleisch mit Kraut oder den klassischen Vesperteller mit Hausmacher Wurst, Schinken, Käse und Butter. Die hauseigene Leber- und Griebenwurst wird als Wurstdose gerne vom Besenbesucher als Delikatesse mit nach Hause genommen. Zwiebel- und Flammkuchen – in Hohenloher Mundart auch „Blooz“ genannt – sowie ein Wengerterteller wird ebenfalls oft angeboten.

Wer ein kulinarisches Besen-Schmankerl schätzt, sollte sich Siedfleisch mit Meer-Rettich und Preiselbeeren bestellen. Die Bratwurst mit Sauerkraut, Brot oder Kartoffelsalat nach Hausmacher-Art als Beilage darf in der Besenstube selbstredend nicht fehlen. Manchmal reicht für den kleinen Hunger eine Suppe oder ein Schinken-, Schmalz- oder Käsebrot aus. Wer einmal den urigen Charme einer Besenwirtschaft entdeckt hat, wandelt Goethes Zauberlehrling-Spruch gerne um: Besen, Besen! Seids (wie immer gute Gastgeber) gewesen.

Text und Fotos: Andreas Scholz

Besenkalender Online
www.besenkalender.de

Besenkalender der Heilbronner Stimme
www.stimme.de/service/besenkalender

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