Nationalpark-Insel Juist: Pferde-Stärken für die Umwelt

Nationalpark-Insel Juist: Pferde-Stärken für die Umwelt

Die Müllabfuhr rückt mit zwei dicken Kaltblütern an. Lebensmittel werden mit der Pferdekutsche angeliefert. Wer von A nach B will, bestellt das von zwei schicken Schecken gezogene Pferdetaxi. Hier ticken die Uhren anders: Man hat sie ganz bewusst ein ganzes Stück zurückgedreht. Hier, das ist Juist, eine auf den ersten Blick nicht weiter bemerkenswerte, bei näherem Hinsehen aber einzigartige Insel in der Nordsee. Denn Juist ist nicht nur ein beliebtes Urlaubsziel, sondern auch anschaulicher Beweis dafür, dass sich Ökologie und Ökonomie, Umweltbewusstsein und wirtschaftliche Interessen ganz hervorragend miteinander vereinbaren lassen, wenn man nur will.

Schönste Sandbank der Welt

Die Bürger der „schönsten Sandbank der Welt“ sind alles andere als ewig gestrige Nostalgiker. Für sie ist der scheinbare Schritt zurück in Wirklichkeit ein gewaltiger Sprung nach vorne. Aber der Reihe nach.

Fast ganz links oben in Deutschland liegt eine unscheinbare kleine Insel in der Nordsee. Im Osten Borkum, im Süden das Festland, westlich Norderney und nach Norden ganz, ganz viel Meer: Juist, für viele – Bewohner und Urlauber – die schönste Perle in der Kette der ostfriesischen Inseln, die wie an einer Perlenschnur aufgereiht dem Festland Niedersachsens vorgelagert sind. Endlose 17 km lang, schlanke 900 bis 500 m breit, kann das „Töwerland“, wie Juist auch liebevoll genannt wird, vor allem mit viel Ruhe und Raum aufwarten. Dazu tragen auch die zahlreichen Pferde bei, die hier keine ruhige Kugel schieben und dekorativ in der – zugegeben, zauberhaft schönen – Landschaft herumstehen, sondern richtig ran müssen. Vor allem Kaltblutpferde haben hier schon lange die Funktion von Autos und Lastkraftwagen übernommen. Die Original-Hafermotoren punkten mit leisen Betriebsgeräuschen, rein biologischen Emissionen und Höchstgeschwindigkeiten, die niemanden in Gefahr bringen. Und das ist den Juistern wichtig.
Früher ist die Natur nicht gerade zimperlich mit all jenen umgegangen, die an und von der Nordsee mühsam ihren Lebensunterhalt erwirtschafteten. Karge Böden, Sturmfluten, alltägliche Mühsal auf Fischerbooten oder Walfangschiffen, ein Zuckerschlecken war das damals nicht. Heute ist die Natur auf und um Juist das größte Kapital der Insulaner. Und damit gehen sie sehr, sehr sorgsam um.

Nationalpark-Insel

Große Teile der Insel und das Wattenmeer ringsherum sind Teil des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer. Dieses fast 350.000 ha große Schutzgebiet umfasst die Ostfriesischen Inseln, das Wattenmeer und die Seemarschen des gesamten Gebiets. Zudem ist der Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer (zusammen mit den Nationalparks Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer und Hamburgisches Wattenmeer sowie einem niederländischen Anteil) Teil des Unesco-Weltnaturerbes. Diesen Status bekommt man ganz sicher nicht geschenkt, er ist die wohl bedeutendste Form der Unterschutzstellung, die alleine Naturstätten von überragender und außergewöhnlicher Bedeutung vorbehalten ist. Die Verleihung dieses Titels im Jahr 2009 an das Deutsche Wattenmeer stellt den bisherigen Höhepunkt einer konsequenten Schutzpolitik dar, die bereits 1986 mit der Einrichtung des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer begann. Die kleine Insel Juist in der Nordsee ist Teil eines weltumspannenden Menschheitserbes … da sind die Juister mit Recht stolz drauf!

Der Schutz des Wattenmeeres ist zudem ein gelungenes Beispiel für die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen betroffenen Staaten und deutschen Bundesländern, denn viele Schutzmaßnahmen und Schutzformen wurden Bundesland – oder gar länderübergreifend eingerichtet – das Wattenmeer umfasst neben deutschem auch niederländisches und dänisches Staatsgebiet und Gebiete der Bundesländer Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg. Es ist das größte Wattenmeer der Welt, und Juist ist nur ein kleiner Teil davon. Und doch lässt sich bei einem Besuch der „schönsten Sandbank der Welt“ die ganze ursprüngliche Schönheit und Vielfalt des Wattenmeeres hier unmittelbar erleben.

Menschen herzlich willkommen

Wer die Natur langfristig davor bewahren will, durch Menschenhand unwiderruflich zerstört zu werden, muss Geduld und Kompromissbereitschaft mitbringen. Und er muss die Menschen – potentielle Gefahrenquellen - mit einbinden in sein Konzept. Eine Schutzpolitik nach dem Motto „Menschen raus, Tiere rein!“ ließe sich nicht durchsetzen und wäre nicht sinnvoll. Auf Juist lässt sich deshalb nicht nur hervorragend Urlaub machen, sondern auch sinnvoller Naturschutz in der Praxis beobachten. Sanfter Tourismus mit Vorbildfunktion eben.

Langsam sucht sich die Fähre ihren Weg durch das Wattenmeer. An Bord zahlreiche Nordseeliebhaber, viele Familien mit kleinen Kindern, Senioren, Alleinreisende. Autos setzen nicht über, die stehen auf dem Festland und warten dort auf ihre Besitzer – Juist ist eine autofreie Insel. Schon von weither sichtbar grüßt das neue „See-Zeichen“, eine stilisierte Boje, die Erholungssuchenden. Nach dem Anlegen sucht der erfahrene Urlauber unter den zahlreichen abgestellten Bollerwagen den ihm zugedachten, lädt sein Gepäck auf und los geht es zum Quartier! Oder steigt in ein bereits wartendes Pferdetaxi ein, das ihn samt Koffern zu den weiter entfernten Unterkünften bringt. So oder so, kaum hat sein Fuß juister Gebiet betreten, ist es vorbei mit der Hektik, drückt die Insel dem Menschen ganz sanft ihren Stempel auf.
Es wird ruhig um und in ihm.

Zwei kleine Orte verlieren sich fast in der Weide der Dünenlandschaft: Das größere Juist mit seinem Hafen, seiner kleinen Shoppingmeile, dem imposanten Kurhaus und das verträumte Loog westlich davon. Die schmucken Häuser werden südlich vom Watt, nördlich von der Nordsee begrenzt, dazwischen liegt schützend eine Dünenkette. Vorgelagert laden an der Nordseite weitläufige Badestrände zum Verweilen ein, immer den Wind und die Sonne auf der Haut, das Rauschen der Nordsee im Ohr. Das sehr flach abfallende, meist kristallklare Wasser und der endlos lange, äußerst saubere Sandstrand machen auch für Familien mit kleinen Kindern oder für weniger mobile Senioren erholsame, entspannte Urlaube möglich.

Vereinte Gegensätze

So ganz will dies alles nicht zu dem Bild passen, das man sich gemeinhin von einem Nationalpark macht, von einem Gebiet, in dem die örtliche Flora und Fauna Vorfahrt haben. Wer aber auch nur ein wenig weiter geht, die quirlige Dorfmitte, den umtriebigen Badestrand verlässt, findet sich mitten in einer urtümlichen und ganz eigenen Umgebung wieder. Das Besondere an Juist: Auf dieser kleinen Insel kann man sich in kürzester Zeit ganz unterschiedliche Landschaften erwandern: Vom Hammersee, einem Süßwassersee mitten in Juist über weitläufige Dünentäler und kleine Wäldchen zum Tosen der Nordsee sind es nur wenige hundert Meter. Der endlose Sandstrand an der Nordseite lädt zu ausgedehnten kontemplativen Spaziergängen ein, auf denen man oft über Stunden keiner Menschenseele begegnet, wohl aber im Wasser mal einen Seehund erspäht, Kormorane oder Eiderenten im Vorbeiflug erkennt, Seeschwalben bei spektakulären Tauchgängen beobachtet oder einfach nur die Ruhe, den immer gleichen und doch nie langweiligen Dreiklang von Wind, Wellen und Sand genießt.

Die Südseite kommt bedächtiger her, bietet wechselnde Ausblicke mal auf das ausgedehnte Watt zwischen Insel und Festland, mal auf auflaufendes oder ablaufendes Wasser, dann wieder auf die Nordsee, die sich im Wechsel der Gezeiten das Watt immer wieder neu erobert. Hier ist man oft auch ganz gut vor dem meist kräftigen Wind geschützt, kann selbst bei weniger gutem Wetter gesunde Luft atmen und Ruhe genießen.

Ab und an begegnet der Urlauber einem Bild, das aus einem vergangene Jahrhundert zu stammen scheint. Kräftige Kaltblüter halten die – überschaubar kleine – Infrastruktur der Insel auf naturverträgliche Weise in Gang. Kaum hat die Fähre angelegt, warten sie schon geduldig auf Lebensmittel und Dinge des täglichen Gebrauchs, die sie dann mit hellem Hufgeklapper zum Supermarkt fahren. Von A wie Apfelsaft bis Z wie Zahnpasta, alles wird mit ein bis zwei PS einmal quer über die Insel gekarrt. Auch die Entsorgung verlässt sich ganz auf Pferdestärken, denn sogar die Müllabfuhr kommt hier mit dem Pferdefuhrwerk. Kein Touristengag, auch keine Alibiaktion, um sich nach außen plakativ als naturverbunden zu geben, sondern gehört hier ganz selbstverständlich zum Alltag. Das man auf Juist ganz auf die Pferde setzt – aktuell sind über 50 Gespanne im Einsatz -, hat für die Umwelt und den Tourismus gleichermaßen große Vorteile: Keine Abgase, kein Lärm, keine überfahrenen Tiere, das erlaubt einen wirklich durchgreifenden Schutz des empfindlichen Ökosystems. Was der Natur nützt, erfreut den Urlauber, der auch lieber die Hufe klappern als die Autos dröhnen hört, der gesunde Meeresluft lieber schnuppert als Benzingestank, der seine Kinder unbesorgt draußen spielen lassen kann und vielleicht sogar das Glück hat, mal eine samtig weiche Pferdenase sanft streicheln zu dürfen …und wer jetzt noch nicht überzeugt ist, dass Juist auf dem richtigen Weg ist, mögen sich einmal vor dem geistigen Auge einen asphaltierten Parkplatz dort vorstellen, wo jetzt friedlich die Pferde grasen ...

Kein Freifahrtschein

Wer hier Urlaub macht, muss auch Einschränkungen in Kauf nehmen. So ist das Gebiet der Insel in drei Schutzzonen unterteilt, der Zugang je nach Zone unterschiedlich stark reglementiert. Besonders empfindliche Abschnitte dürfen ganzjährig nicht betreten werden, in anderen Bereichen ist der Zugang eingeschränkt gestattet. Nicht immer halten sich die Urlauber an die so wichtigen Vorschriften, lagern gerne auch einmal mitten in den Dünen, was streng verboten ist – zu schnell ist hier ein Schaden angerichtet, der sich spätestens bei der nächsten Sturmflut rächt. Direkt an den Seehundbänken ankernde Boote, kreischende Kinder in Vogelkolonien, Spaziergänger mitten in Brutgebieten, leider darf nicht immer und überall auf die Einsicht der Menschen gehofft werden. Da würden hauptamtliche Nationalparkranger genug zu tun haben, doch davon gibt es im gesamten Nationalpark viel zu wenige. So bleibt die Hoffnung, dass die Natur selbst als Lehrmeister den einen oder anderen uneinsichtigen Störenfried doch zu der Erkenntnis bewegen mag, dass eigene Interessen und Wünsche zurückstehen müssen und können.

Die Pferde wissen von alldem nichts. Sie genießen nach einem harten Arbeitstag ihren Feierabend auf den Koppeln, umgeben vom Geschrei der Seevögel, duftendes Gras im Maul, die beruhigende Gegenwart der Artgenossen ringsherum. Morgen früh geht es wieder los, zum Hafen, Touristen zu ihren Unterkünften fahren. Aber bis zum Tagesanbruch ist es noch lang, jetzt wird erst einmal entspannt. Mitten im Nationalpark, mitten im Leben. Im Töwerland, wo die Uhren zurückgedreht wurden und der Fortschritt einfach ein wenig anders aussieht.

Text & Fotos: Angelika Schmelzer
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