Ein Tag im September

Ein Tag im September

Träumen unter dem weiß-blauen Himmel

Natur erleben und genießen, wer kann das noch in unserer hektischen Zeit. In den scheinbar unbedeutendsten Dingen Gottes Schöpfung zu erkennen und sich an allem in der Natur zu erfreuen ist eine Gabe, die vielen Menschen fehlt und die man sich nur wünschen kann. Viele können dies aus Zeitmangel nicht mehr oder haben es ganz einfach verlernt!

Es ist ein herrlicher Tag im September ohne Termine und mit unendlich viel Zeit. Ich mache mich auf Schusters Rappen auf und gehe zu einem meiner Lieblingsplätze. Schon unterwegs umgibt mich eine himmlische Stille. Der Straßenlärm rückt in immer weitere Entfernung. Mein Ziel ist eine große Waldlichtung mit einem Teich und einer Blumenwiese, die in der Nähe des Waldrandes mit viel Moos durchwachsen ist. Leider blühen zu dieser Zeit nur noch wenige Blumen. Unübersehbar ist jedoch der Herbstlöwenzahn, der hier und da mit seinen gelben Blüten frech hervorlugt. Auch einige Pilze sehe ich schon zwischen den Gräsern. Es scheinen Exemplare vom Großen Schmierling zu sein. Rücklings lege ich mich an einer trockenen Stelle in das Gras und träume so vor mich hin.

Die einzigen an mein Ohr dringenden Geräusche kommen von einigen in der Nähe stehenden Hainbuchen, die mit ihren ausladenden Baumkronen das säuseln des warmen Spätsommerwindes hörbar machen, sowie von dem kleinen Bächlein, das den Teich mit Wasser speist. Der Revier- und Balzgesang der Singvögel ist schon seit einigen Wochen Vergangenheit. Einige Ameisen laufen irritiert über meine Füße, was mich aber nicht weiter stört. Zwei Rotmilane – wahrscheinlich ein Pärchen – ziehen Kreise hoch über mir. Ich erkenne sie sofort an ihrer charakteristischen Schwanzform. Auch ein Graureiher fliegt ziemlich niedrig über mich hinweg. Er saß wahrscheinlich in Teichnähe auf einem Baum und fühlte sich durch meine Anwesenheit gestört.

Neben mir sehe ich in der Wiese einige lange Blütenstängel des Spitzwegerichs. Bei deren Anblick kommen mir Kindheitserinnerungen in den Sinn. Mir fällt wieder ein, wie ich als Kind mit meiner Großmutter die Blätter dieser Heilpflanze sammelte, die wir dann bei Erkältungen als Tee trinken mussten. Ich träume – auf dem Rücken liegend - weiter. Über mir ein azurblauer Himmel, der das ganze Firmament umspannt. Aufgelockert wird er von weißen Wolkenfetzen, die sich ständig im Wind verändern. Es bedarf nur wenig Fantasie um die skurilsten Gestalten darin zu erkennen. Phantastische Tiere verwandeln sich von einer Minute zur anderen oder vereinen sich zu nichtssagenden Wolkengebilden.

Beim Blick in den Himmel komme ich in’s träumen. So wie die Wolken sich stetig verändern und weiter ziehen, wandern auch meine Gedanken durch mein bisheriges Leben. Die Kinder- und Jugendzeit, die Jahre als Familienvater und die Zeit bis in die Gegenwart kommen mir unweigerlich in den Sinn. Wie schnell doch die Zeit verfliegt. Gestern noch in einer unbekümmerten Kindheit – heute schon mehrfacher Großvater. Die Zeit scheint jedes Jahr schneller zu vergehen. Als wenn er meine Gedankengänge bestätigen wollte, meldet sich mein Rücken zu Wort. Er will mir wohl sagen, dass ich schon lange genug hier in der Wiese liege. Etwas steif erhebe ich mich und trete meinen Rückweg total entspannt und glücklich an.

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Text und Fotos: Walter J. Pilsak